29. Januar 2018

Die ganz großen Probleme unserer Welt

Pro & Contra – Downsizing
Die ganz großen Probleme unserer Welt

Mit einem weiteren „Schrumpffilm“ die (Film-)Welt verbessern? Oder einfach nur erheitern und nachdenklich machen? Top oder Flop? Fragen über Fragen... 

Pro:

Die ganz großen Probleme unserer Welt zu lösen, war schon immer eine Lieblingsbeschäftigung von mehr oder weniger Verrückten. Diesen Ansatz mal so richtig durch den Kakao zu ziehen, bleibt wieder mal Hollywood vorbehalten, genauer Alexander Payne. Der hält der US-Mittelschicht schon immer gern den Finger in die Schwimmringe bzw. dorthin, wo es weh tut. Mit seiner neuen Komödie aber weitet er den Blick und erzählt vom Großen und Ganzen, in einem wunderschönen Kinofilm, der knackig über eine nahe Zukunft fabuliert und in der besten Tradition europäischer Satire, besonders Jonathan Swift und seinem Klassiker „Gullivers Reisen“ steht. 

Der Film ist zugleich Satire, Komödie, Romanze und Science-Fiction und erzählt uns dabei ganz viel über uns und den Zustand der Welt. Leisureland wird zum Zerrspiegel unserer heutigen Welt.


Doch der Reihe nach. Nicht wenige Wissenschaftler und Soziologen sehen als Ursache der globalen Probleme die Überbevölkerung in weiten Teilen der Welt. Klar sind solche Dinge auch mit einem rigiden machtpolitischen Ansatz wie in China zu lösen, aber Alexander Payne findet einen unglaublich pfiffigen Weg. Norwegische Wissenschaftler entdecken das titelgebende Downsizing und flugs lassen sich mit einem überschaubaren, kleinen Eingriff Menschen auf 12 cm Standardgröße schrumpfen - die Weltprobleme gleich mit. Ganz so einfach ist es dann auch nicht und für eine Komödie wäre es auch etwas dürftig. So weitet Payne die anfänglich aus sehr persönlicher Perspektive erzählte Geschichte zu einer globalen, die auch sozial verortet ist. 

Matt Damon spielt das durchschnittliche, von den üblichen Sorgen geplagte US-Familienoberhaupt Paul Safranek, ja, er wäre vermutlich auch ein Trumpwähler. Paul will einfach nur das Leben mit seiner Frau Audrey genießen, der stupide und wenig glanzvolle Alltag macht es beiden schwer. Aber ihr gemeinsamer Aufbruch in eine neue Zukunft scheitert. Als Zwerg im neuen Zuhause Leisureland muss er erfahren, dass seine Frau sich nicht getraut hat. So fällt sein Lebensentwurf in sich zusammen. 


Leisureland ist eine in bester US-Tradition privatwirtschaftlich organisierte Weltrettungskommune, anpackend, etwas hemdsärmlich. Das Musterländle des American Way of Life wird aber für Paul Safranek zum Käfig. Glücklicherweise lernt er den serbischen Ganoven Duschan und über ihn die vietnamesische Dissidentin Hong kennen. Zwei Zufälle, die die Erzählung aus der bigotten Mittelstandsperspektive aufreißen, sie zu einer globalen machen und über die sozialen Ränder öffnet. Denn neben Beschaulichkeit gibt es bittere Armut, Methanausbrüche bedrohen die Welt und Menschen leiden ganz trivial an Hunger und Krankheiten. Duschan und Hong haben dabei gänzlich verschiedene Ansätze damit umzugehen, beide eint ein im wahrsten Sinne fremdartiger, improvisierter und pragmatischer Ansatz, der Paul Safranek erstaunen und eine neue Welt öffnen lässt.

Payne entwickelt die Komödie stringent, mit einem hervorragenden Ensemble. Hervorzuheben sind Christoph Waltz - gut, der ist mit einem serbischen Slang überfordert und trifft den Ton nicht ganz genau -, Hong Chau, eine Art Viet Cong-Staccato-Quasselstrippe, mit dabei unser aller Kurt Wallander Rolf Lassgård und, endlich mal wieder, unser Mann in L.A. Udo Kier, der seit über 50 Jahren zwischen Trash, Mainstream und Filmkunst, zwischen Palm Springs und Berlin pendelt. Der griechische Kameramann Phedon Papamichael (Nebraska) findet eine sachlich-nüchterne Bildsprache, die die fantastische Geschichte hervorragend unterstützt und die Welt der Kleinen ins rechte Licht und Maß setzt. 


Klar, über manche Länge, fehlende Details und die teils überemotionale Erzählweise, insbesondere bei der norwegischen Urkommune kann gemäkelt werden. Wir reden hier aber von einer Sozialsatire, einer Überhöhung, die entsprechende Bilder und Stilmittel finden muss. Das gelingt prächtig und führt zu dem großartigen Finale, in dem unsere drei Schlitzohren auf den vorhergesagten Weltuntergang samt Therapie verzichten und sich statt dessen dem Leben mit all seinen Widrigkeiten und drohenden Gefahren zuwenden. Das ist schlicht großes Kino. 

Alexander Payne hat eine Komödie geschaffen, die den Zuschauer 136 Minuten unterhält und wie nebenbei auffordert, über den Zustand der Welt nachzudenken. Die Antworten überlässt er dabei uns, dem Zuschauer. Ein großer Wert in heutigen Zeiten. Erbauungskino ist nicht seins, gibt es ja auch schon genug. Aber eine intelligente, den Zuschauer erheiternde und ergreifende, ihn ernstnehmende Komödie zu schaffen, ist ein um so größerer Wert, nicht nur in der Welt der Kleinen.

Schon The The sangen einst „If you can't change the world. Change yourself.“

Mersaw


Contra:

Bisher stand bei Filmen, in denen eine oder mehrere Figuren geschrumpft wurden, meist das Komödiantische im Vordergrund. Bestes Beispiel: die deutsche Produktion »Hilfe, ich habe meine Eltern geschrumpft«, die zeitgleich zu Alexander Paynes »Downsizing« in den hiesigen Kinos anlief. Da ist nix Verwerfliches dran, nur leider erschöpfen sich in Komödien dieser Art die Gags relativ schnell.

Das scheint Oscar-Preisträger Payne (»Sideways«, »The Descendants«) angespornt zu haben, für seinen eigenen „Schrumpffilm“ zumindest teilweise einen anderen Weg zu gehen. Aber auch hier steht zu Beginn erst einmal das Amüsement: Vom Vorstellen der verblüffenden Erfindung des Kleinermachens, über den Besuch der neu geschaffenen Miniaturwelt Leisureland, bis hin zum eigentlichen medizinischen Verfahren, das die Zuschauer an der Seite von Matt Damon alias Paul Safranek miterleben dürfen. Hier sprüht der Film nur so vor witzigen Ideen, beispielsweise beim Aufsammeln der gerade verkleinerten Menschen von ihren Narkose-Liegen mittels einer Kuchenschaufel. Die dabei gezeigte industrielle Perfektion, mit der Ärzte und deren Helfer jeden Handgriff vollführen, erinnert nicht zufällig an frühe Szenen, die Paul in einer Fleischfabrik zeigen. Ein bitterböser Seitenhieb, der schon erahnen lässt, dass es Payne um mehr geht als leicht verdauliche Unterhaltung.


Für den nun 12 Zentimeter kleinen Paul ist es mit der Unbeschwertheit ebenso schnell vorbei: Denn seine Frau (Kristen Wigg mit einer herrlichen Ein-Augenbrauen-Szene) hat kalte Füße bekommen und ist ihm nicht gefolgt, zudem scheinen innerhalb von Leisureland altbekannte Klassenunterschiede zu bestehen. So findet sich Paul zwar in einer neuen Heimat, aber doch in einer vertrauten Gesellschaft wieder.

Schade, dass Regisseur und Co-Autor Payne diese inhaltliche Steilvorlage weitgehend ungenutzt lässt. Hier und da deutet er Gedankenspiele an, die sehr viel mehr hergegeben hätten als das, was »Downsizing« letztendlich bietet. So fordert ein (großer) Kneipenbesucher, das Wahlrecht seiner kleinen Mitbürger auf ein Achtel zu schrumpfen, schließlich zahlen sie ja weniger Steuern und tragen kaum zum Wirtschaftswachstum bei. An anderer Stelle wird die Frage nach staatlichem Missbrauch des Procederes gestellt, wenn Dissidenten von Machthabern einfach geschrumpft und somit aussortiert werden. Überhaupt: Wie werden die Kleinen vor den Gefahren der Welt geschützt? Könnten sie nicht in Regentropfen ertrinken? Wer verhindert, dass machtgeile Große nicht einfach eine ganze Ministadt niedertrampeln? 


»Downsizing« blendet solche Dinge komplett aus und fokussiert zunehmend das (Liebes-)Leben des einsamen Paul, der überhaupt in etlichen seiner Entscheidungen sehr unselbstständig wirkt und viel über sich ergehen lässt, ohne es groß (haha!) zu hinterfragen. So plätschert der Film zunehmend ziellos vor sich hin, lässt Spannungsmomente und überraschende Wendungen vermissen und endet wenig überraschend mit einem Sinneswandel des Protagonisten.

Fazit: Starker Start, schwächelnder Mittelteil, enttäuschendes Ende. Payne mag die richtigen Ansätze haben, die Lust, diese auch konsequent weiterzuspinnen, hatte er aber offenbar nicht.

Csaba Lázá

paramount.de/downsizing