4. April 2016

Das Faultier in der Führerscheinstelle

Auch in der Redaktion des Kinokalender Dresden wird ordentlich gegackert über Disneys neuesten Animationsfilm.
Das Faultier in der Führerscheinstelle
Pro

Es gilt »Zoomania« zu besichtigen. Wir sind zwischen vier und 48 Jahren alt. Dass es den Film auch als 3D-Version gibt, haben wir den Kindern gegenüber unter den Tisch fallen lassen wegen der Kosten und der zur erwartenden Reizüberflutung, die nur die Ü-30-Fraktion nervt. Zum Glück fragt keiner nach, selbst die großen Jungs nicht, ihre geballte Erwartungsspannung gilt dem Faultier in der Führerscheinstelle, natürlich haben sie den Trailer gesehen. Das Cinemaxx ist rappelvoll, »Zoomania« in allen Sälen. Wir warten gern auf die zusätzlich angesetzte Vorstellung. Lieber später aber gut sitzen. Endlich geht’s los.

Judy Hopps, das ehrgeizige Hasenkind mit dem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn will Polizistin werden. Toller Berufswunsch für ein Häschen, ihre Eltern bibbern, supporten die Tochter aber dennoch, wiewohl Judy für weniger progressive Naturen, als aus der Art geschlagen gilt. Kuscheltiere sind im Polizeidienst nicht vorgesehen, wo kommen wir denn da hin, doch die Hopps-Häsin glaubt an eine Chance in Zoomania, der Stadt wo alles möglich ist. Über ein Sonderprogramm für Kleintiere gelangt sie in die Megacity und tritt stolz wie Bolle ihren Dienst im zentralen Polizeirevier an. Dann kalte Dusche. Der raunzige Büffel Chief Bobo glaubt nicht an Kleintiere und schickt sie als Politesse raus.

Die lilaäugige Lady muss ihren Ehrgeiz mal eben nach hinten stellen, nutzt aber die erste sich bietende Chance mit dem Chief einen Deal auszuhandeln und löst mit der clever erzwungenen Hilfe eines ausgefuchsten Kleinganovens ihren ersten Fall, inklusive Verfolgungsjagd, Entführung, Enttarnung und actionreichem Showdown. Rückschläge finden auch statt und hey, Drogen kommen vor. Das happy Finale mündet in eine große Party, die ohne verbotene Substanzen auskommt. Disneys neuer Animationsfilm ist eine Ode an das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Tierarten, sprich Kulturen. Und ja, Toleranz ist nicht einfach, zivilisatorische Errungenschaften können schnell ins Wanken geraten. Die schillernder Disneyfarbenpracht gibt der gewichtigen Botschaft die nötige Leichtigkeit und die Regisseure Rich Moore (»The Simpsons«) und Byron Howard (»Rapunzel – neu verföhnt«) haben aus Zootopia einen ästhetischen Overkill ersten Ranges gemacht.

Die Welt ist rund und bunt, sie unterhält, gefällt und wirbt für Akzeptanz – und, hm, auch für den Polizeidienst. Die Dramaturgie schlägt wilde, durch die Hauptfigur leidlich gerechtfertigte Haken. Glanzlichter setzt eine Szene im im Nudistenklub. Die leitende Yogaelefantin macht ganz ungerührt und tiefenentspannt ihre Beine breit, während Hopps und ihr assistierender Fuchs ermitteln. Lachen für die ganze Familie – auf völlig unterschiedlichen Ebenen. Die Faultiere in der Führerscheinstelle, wahre Experten der Entschleunigung, rocken den Laden, das Bild auf der Leinwand verschwimmt. Lange nicht Tränen gelacht, da sind sich alle einig. Der Einfall entschädigt für einige ob ihrer Süßlichkeit dann doch Bauch- und Ohrenschmerzen verursachenden Details. Judys Sahnschnittenstimme nervt. Die Mädchen wollen aber eh nicht Häsin, sondern Gazelle sein. Es muss an Shakiras Song liegen. „Try everything“,na klar, versuchen kann man es ja.
Grit Dora


Contra:

Liebe Tierfreunde,
obwohl mich gewöhnlich nichts aus der Ruhe bringt und das Verspeisen von Lasagne für mich den einzigen Grund darstellt, mein bequemes Körbchen zu verlassen, muss ich nun doch einmal meine Stimme erheben.

Soeben kam mein Mitbewohner Jon aus dem Kino zurück, wo er sich den Animationsfilm »Zoomania« angeschaut hat. Im Fernsehen sah ich neulich eine Vorschau: Scheinbar gibt es in dieser komischen Parallelwelt keine Menschen, dafür Tiere aller Art und Herkunft, die zusammen in einer riesengroßen Stadt leben, miteinander sprechen und sich dabei auffällig menschlich benehmen. Wo gibt’s denn so was? Völlig realitätsfern! Was mich persönlich aber viel mehr ärgert, ist die Tatsache, dass ich mich vor Monaten vergeblich um eine der Hauptrollen im Film beworben habe. „Tut uns leid, für dicke, orangefarbene Katzen mit schwarzen Streifen auf dem Rücken haben wir leider keine passende Garderobe!“ hatte mir der Casting-Agent gesagt. Pah! Stattdessen darf jetzt so ein neunmalkluger Fuchs namens Nick Wild an der Seite der niedlichen Häsin Judy im Film ermitteln.

Jon sagt, die Vermenschlichung der Tiere sei ziemlich gut gelungen. Vor allem die ersten 45 Minuten haben ihn offenbar sehr begeistert, jedenfalls fällt ihm beim Nacherzählen ständig das Essen vor Lachen aus dem Gesicht. Was ihn aber stutzig macht, ist die zweite Hälfte des Films. Da fallen einzelne Tierchen nämlich in ihre angeborenen Verhaltensmuster zurück, sind aggressiv und angriffslustig, launisch und überhaupt nicht gesellschaftsfähig (meine Vermutung wäre ja zu wenig Essen und zu wenig Schlaf. Aber wahrscheinlich sind sie nur Odie begegnet und haben sich erschreckt). Die Auflösung im Finale hat Jon jedenfalls überhaupt nicht gefallen. Denn die lässt die interessante Frage, was angeborenes und was erlerntes Verhalten ist, zum Wohle eines Happy Ends unbeantwortet. Hauptsache, am Schluss haben sich wieder alle lieb. Gähn! Zum Vergleich: Ich bin von Natur aus faul. Erlernt hingegen ist mein Talent, Odie zu beleidigen und ihm Böses anzutun.

Und noch eine andere Sache beschert meinem Futterdosenöffner Kopfzerbrechen: Was soll der Unsinn mit der Titeländerung für deutsche Kinos? Im Original heißt der Film nämlich »Zootopia«. Nur im deutschsprachigen Raum wird aus der Utopie (»Zootopia«) eine Manie (»Zoomania«). Ich übersetze mal: Statt einer ‚fiktiven Gesellschaftsordnung‘ wird dem deutschen Publikum eine ‚psychische Störung‘ vorgesetzt. Also bitte den Film nicht politisch interpretieren, sondern lediglich als verrücktes Gedankenspiel mit lustigen Tierchen, die nicht ganz richtig ticken. Traut man den Deutschen etwa keine Gesellschaftssatire mehr zu?

Also, wenn es nach Jon geht, ist der Film zwar lustig und geistreich, aber ganz bis zu Ende gedacht leider nicht. Vielleicht hätten die Regisseure ein wenig mehr Katzen-Action ins Drehbuch schreiben sollen: Wir sind unberechenbar, unglaublich süß und können zudem auch ohne viel Dialog unseren Standpunkt stets sehr deutlich machen.

Nach so viel Kritik gönne ich mir nun erstmal eine große Portion Lasagne. Und nebenbei schaue ich mir »Catwoman« an.

Verfressene Grüße,
euer Garfield

http://filme.disney.de/zoomania