8. Januar 2010

Im Nachgang… das Kinojahr 2009

Die Aufgabe: Verfasse eine kleine Retrospektive zum Kinojahr 2009.
Im Nachgang… das Kinojahr 2009
Bei 53 Donnerstagen und – wir runden ab – drei Neustarts pro Woche, stehen da 159 Filme zur Auswahl. Ziehen wir davon noch einige Doppelgänger ab (»Saw V + VI«; Foto, »Twilight + New Moon«), sieht es zwar nicht weniger unübersichtlich aus, allerdings eignet sich die Suche nach Wiederholungstätern hervorragend für erste Lobeshymnen: Clint Eastwood beispielsweise erfreute als Regisseur von »Der fremde Sohn und Gran Torino«, während Kate Winslet in »Zeiten des Aufruhrs« und »Der Vorleser« zweimal mehr ihr schauspielerisches Können unter Beweis stellte. Zu den Vielfilmern des Jahres zählt zweifellos auch Katharina Schüttler (»Ganz nah bei dir«, »Es kommt der Tag«, »Lila Lila«), wobei letzterer ebenso mit Daniel Brühl aufwarten kann, der allein 2009 in vier weiteren Kinoproduktionen mitwirkte (»John Rabe«, »Dinosaurier«, »Die Gräfin«, »Inglourious Basterds«). Deutsches Geld für deutsche Schauplätze in amerikanischen Filmen schien überhaupt das Credo des Jahres gewesen zu sein. Görlitz, Meißen und natürlich Berlin (»Operation Walküre«) dienten vermehrt als Schauplätze. „Anlage 2 zur Richtlinie Anreiz zur Stärkung der Filmproduktion in Deutschland“ macht´s möglich. Ganz unbürokratisch zahlt der Filmförderfonds des Bundes nämlich nun ganze 16 Prozent des Budgets, wenn in Deutschland gedreht, Stoffe aus dem "deutschen Kulturkreis“ behandelt oder "Motive, die Deutschland zugeordnet werden können“, benutzt werden. Tarantino wollte da wohl auf Nummer sicher gehen und steckte gleich „alle faulen Eier des 3. Reiches in einen Korb“, nur um ihn kurz darauf in die Luft zu sprengen. Selten zuvor wurde die Macht des Kinos so wunderbar hervorgehoben. Revolution, wohin man schaut! Apropos: »Radio Rock Revolution« beeindruckte lediglich mit seinem Frauenbild, das die holden Geschöpfe zu willenlosen Groupies reduzierte. Lars von Triers »Antichrist« war da schon subtiler, wenn auch ähnlich deutlich in seiner Aussage: das Weib als Ursache und Triebfeder des Bösen. Wer´s nicht glaubt, möge sich seine Bestätigung in der Glaubensfrage holen oder nochmals »Die Gräfin« kontaktieren. Was nicht heißt, dass die Kerle inzwischen brav geworden sind. Staatsfeinde auf jedem Kontinent (Frankreich: »Public Enemy No.1«; Amerika: »Public Enemies«), uneinsichtige Präsidenten (»Frost/Nixon«), wutentbrannte Cops (gut: »96 Hours«; weniger gut: »Kurzer Prozess«). Erschreckend real die Erlebnisse in der Weltstadt und in »Tödliches Kommando«, erschreckend banal hingegen »66/67 – Fairplay war gestern«. Womit der absolute Tiefpunkt des Kinojahres eigentlich schon erreicht wäre, zu dem sich »Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen« (gähn!) und »Die Frau des Zeitreisenden« (hä?) noch fix hinzugesellen. Doch auch für die Qualität im Kino gilt: Das Leben gleicht einer »Achterbahn« (grandios), aufwärts geht es immer (»Looking for Eric«, »The Wrestler«), »Limits of Control« existieren nicht! Oben angekommen, treffen wir ein fliegendes Baby (»Ricky«), genießen gute Musik (»It might get loud«) und schauen hinab auf die aufregenden Abenteuer eines »Slumdog Millionär« sowie ein verwirrtes Land, das von Widersprüchen geprägt ist (»Deutschland 09 – 13 kurze Filme zur Lage der Nation«). Nicht widersprüchlich, zumindest aber unterschiedlich gestaltete sich auch die Herangehensweise an ein historisches Ereignis aus den 1920er Jahren: »Hinter Kaifeck« und »Tannöd« wagten sich mit ihrer Geschichte über den ungeklärten Mord an einer oberbayrischen Bauernfamilie ins Genre des Gruselthrillers. Wirklich beängstigend war in beiden Fällen vor allem das Bild vom Bayernland, obgleich auch Sachsen bzw. der Osten wenig Gutes präsentieren konnten: Vorurteile, unausgeglichene Kugelstoßerinnen, stillgelegte Fabriken (»Salami Aleikum«). Und mittendrin ein wunderbar selbstironischer Wolfgang Stumph, singend, tanzend, kochend. Also quasi »Soul Kitchen« auf ostdeutsch, dem späten und letzten Höhepunkt des Kinojahres 2009. Ein wenig gute Laune ist da auch nötig, sind wir doch 2010 ein Haus weniger: Die Schließung des Filmtheater Metropolis im Waldschlösschenareal zeigte noch einmal, dass trotz 159 und mehr Filmen Kinos keine Selbstläufer mehr sind. Schön war´s, wenn auch zuletzt aufgrund schwindender Besucherzahlen ziemlich einsam. Ein Schicksal, das dem erweiterten PK Ost hoffentlich erspart bleibt. Denn wer in solch schwierigen (Kino-)Zeiten einen Umbau wagt, verdient dafür auch zahlreiche Gäste. Csaba Lázár