Silvi

Drama, Deutschland 2013, 97 min

Manchmal geht es ganz schnell. Die Kinder sind aus dem Haus, oder man hatte nie welche, 30 Ehejahre sind vorbei wie im Flug und traute Einsamkeit wird zur Gewohnheit. Dann reißt einer die Leine und der andere bleibt zurück. Silvi (Lina Wendel) steht ganz unvermittelt da mit leeren Händen und einem blitzeblank gewaschenen Wagen. Der Schock ist kurz und wird, ebenso wie die Überraschung, dass sie ihrem Mann keine Stunde nachtrauert, von der neuen Lebenslust aufgesogen. Das Herz soll wieder klopfen, eine Umarmung am Morgen wäre schön, also heißt Dating ihr neues Rettungsboot und sie sticht in See. Die erste Woge erwischt sie kalt, ein egoistischer Sexprotz verursacht bei ihr nur Mitleid und Muskelkater. Das steckt sie weg, erklärt sie in die Kamera und damit dem verblüfften Zuschauer direkt ins Gesicht; „… kein Kribbeln!“ Die eingeschobenen Interviewsequenzen sind ein bemerkenswerter Kunstgriff. Überhaupt beweist der junge Regisseur Nico Sommer ein gutes Händchen, wenn er seiner großartigen Hauptdarstellerin bei ihrer Suche nach dem Glück nichts weiter an die Hand gibt als ein vages Treatment und den vorzüglich funktionierenden Gitte-Hænning-Soundtrack. Eben schlittert Lina Wendels 47-jährige Silvi noch mit feuchten Händen und ohne Drehbuch durch das Date bei einem liebenswerten Tollpatsch, und im nächsten Moment erwartet sie der Latin-Lover samt Lederfetisch, Peitschen und Koks. Natürlich entblößt sie sich weitaus mehr, wenn sie der Kamera erneut Rede und Antwort steht. Man mag die schräge Schar beziehungsbeschädigter Männer als seltsam empfinden oder die gutmütige Naivität einer unerfahrenen Frau, wie Silvi eine ist, vielleicht belächeln, doch kommt man nicht umhin, Lina Wendel und ihre Figur ins Herz zu schließen. So sei sie gewesen, die echte Silvi und ihre Suche nach dem Glück, versichert der Regisseur, dessen finanziell vollkommen unabhängig gedrehter Film von Menschen erzählt, die sich davor fürchten, allein zu sein.
alpa kino

Buch: Nico Sommer, Julia Stiebe

Regie: Nico Sommer

Darsteller: Lina Wendel, Harald Polzin, Ivan Gallardo, Peter Trabner, Thorsten Merten, Judith Steinhäuser

Kamera: Alexander du Prel

Bundesstart: 03.10.2013

Start in Dresden: 03.10.2013

FSK: ab 16 Jahren