Music

Der Grieche Ion (Aliocha Schneider) wurde nach seiner Geburt in den Bergen Griechenlands ausgesetzt. Vater und Mutter kennt er nicht. Mit 20 Jahren tötet er einen Mann, es folgen Verurteilung und Haft. Täglich begegnet er im Gefängnis der Aufseherin Iro (Agathe Bonitzer). Im gleichförmigen Ablauf der Anstaltstage kommen die beiden einander näher, verlieben sich und bleiben auch nach Ions Entlassung zusammen. Sie bekommen eine Tochter. Was beide nicht wissen: Iro ist Ions Mutter, der ermordete Mann sein eigener Vater. Angela Schanelecs Neuinterpretation des Ödipus-Dramas ist irgendwo in den vergangenen 40 Jahren eines zeitlos wirkenden Griechenlands angesiedelt. Die Regisseurin (»Ich war zuhause, aber« 2019, BERLINALE-Regiepreis) inszeniert wieder radikal reduziert, extrem wortkarg. Ihre elliptische Ödipus-Erzählung lebt vor allem von Auslassungen. Kaum mehr als ein Satz hie und da, dafür große Musik von Bach bis Pergolesi ab dem Moment des Aufeinandertreffens von Ion und Iro. Die formal konsequente Bildsprache (Kamera: Ivan Marković, Schnitt Angela Schanelec) und minimalistische Strenge machen »Music« zu einem inspirierenden Kino-Erlebnis.
Grit Dora