Herbst - Sonbahar

Drama, Türkei/Deutschland 2008, 105 min

Wohin soll man noch gehen, wenn der Herbst des Lebens gekommen ist? Nach Hause? Wenn es wirklich ernst ist - ja. Für Yusuf ist es das und es gibt auch keinen anderen Ort für ihn. Denn von da, wo er kommt, aus dem türkischen Staatsgefängnis vom verschärften Typ F, wird er sozusagen wegen seiner Lungenkrankheit fort geschickt. Ohnehin will er nicht dahin zurück. Also nach Hause! Er sehnt sich nach Ruhe, nach den Bergen an der türkisch-georgischen Grenze und auch ein wenig nach Wärme. Es ist Frühsommer. Zehn Jahre war er nicht daheim, Yusuf ist jetzt Anfang Dreißig. Er wird bald sterben. Ein solcher Entwurf klingt außergewöhnlich für einen Erstlingsfilm und zweifellos wird man von dem türkischen Regisseur Özcan Alper noch allerhand Sehenswertes vorgesetzt bekommen. Hier jedenfalls stellt er einen Mann ins Zentrum seiner Geschichte, der - entlassen aus der Enge seiner Gefängniszelle und nach Jahren der Haft heimgekehrt - dem unaufhaltsamen Ticken der Uhr nur mit größter Mühe etwas entgegensetzen kann. Er hat Tuberkulose. Einen Arztbesuch lehnt er ab und im Dorf trifft er auch nur die Alten. Wer noch leben will, ist längst fort. Yusuf scheint zerbrochen. Er scheint nichts mehr übrig behalten zu haben von dem jungen Wilden, dem linken Studenten. Allein seine Augen blicken gelegentlich umher, als suchten sie die letzte große Herausforderung. Kann er die hier finden? An einem Ort, von wo er bereits vor mehr als zehn Jahren die Flucht nach Istanbul angetreten hatte? Unter diesen Umständen wirkt selbst der allmorgendliche Sonnenstrahl auf seinem Gesicht wie die große, neue Liebe zum Leben. Gierig saugt er den Sommer in sich auf. Die Tatsache, dass Yusufs alter Jugendfreund Mikhail als einziger Gleichaltriger noch im Dorf wohnt, sollte genügen, verwegene Pläne zu schmieden. Ganz zu schweigen von der georgischen Prostituierten Eka aus der nahegelegenen Stadt - in sie verliebt sich Yusuf auf der Stelle. Oder besser; er würde das gern tun, allein, die jahrelange Isolationshaft hat tiefe Narben hinterlassen. Und so verbringt er den Herbst in einer melancholischen Mischung aus Bangen und Warten. Ebenso flach wie er atmet, streckt er seine Hand nur noch zaghaft aus, um Kräfte zu sparen. Für das was unweigerlich kommt. Denn wenn das nächste Mal die Jahreszeit wechselt, dann droht der Winter.

Buch: Özcan Alper

Regie: Özcan Alper

Darsteller: Onur Saylak, Megi Koboladze, R. Gulefer Yenigul, Serkan Keskin

Kamera: Feza Caldiran

Musik: Yuri Rydahencko, Ayssenur Kolivar, Sumru Agiryürüyen

Produktion: Filmfabrik, Kusey

Bundesstart: 13.05.2010

Start in Dresden: 13.05.2010

FSK: ab 6 Jahren