La vie en rose
Eben verführte die bezaubernde Marion Cotillard noch Russel Crowe unter südlicher Sonne und nun soll ihr die ganze Welt zu Füßen liegen? Sie muss einfach. Einer Piaf wird sich jede Welt zu Füßen legen. Mag sein, dass die wenigen noch lebenden Zeitzeugen eine ganz andere Göre in Erinnerung haben, doch was macht das schon? Wir wollen glauben, was uns Olivier Dahan erzählt. Wir wollen uns verzehren und mit ihr weinen. Ja. Und dann soll sie singen für uns, soll uns verfluchen und aus dem Hause jagen. Wir werden die Eintrittskarten zerknittern, an ihren Lippen hängen und Edith Piafs Leben in Rosarot sehen. Und wenn der große Kinogott ein Herz hat, gibt er uns wenigstens einmal Gelegenheit, Madame Cotillards erregend volle Altstimme im Original zu hören, wie sie über unsere Haut kratzt. Wie sie von dem kleinen Mädchen erzählt, das irgendwo zwischen Rue Belleville No. 72 und der Ausnüchterungszelle im Polizeirevier des 20. Arrondissements als Edith Giovanna Gassion zur Welt kam. Im Jahre 1915, genau am 19. Dezember, und man ist geneigt zu glauben, dass es zu jener Zeit nirgendwo auf der Welt Kinder mit einer glücklichen Kindheit gab. Doch selbst aus dieser grauen Masse ragt die Legende der kleinen Edith noch heraus. Als Tochter einer Sängerin und eines Zirkus-Artisten wächst sie ohne Mutter in einem Wanderzirkus bei ihrer Großmutter auf. Im Alter von fünf Jahren erblindet sie an einer Hirnhautentzündung, doch das vergeht wieder und mit zehn beginnt sie zu singen. Sie lebt nun in einem Bordell, das die Großmutter führt. Was man die Goldenen Zwanziger nannte, ist ihre Schule und das Rotlichtmillieu ihr Zuhause, ihr erster Schwarm ist ein Zuhälter und der Alkohol schon in der Jugend ihr ständiger Begleiter. Am Pigalle wird die Straße ihre Bühne, hier treibt sie sich in den Gassen herum, singt von den Menschen und singt mit deren Kraft. Sie singt so laut gegen alle Welt an, dass der Besitzer des Kabaretts „Gerny's“, Louis Leplée, der Zwanzigjährigen sofort einen Vertrag gibt, sie vom Trottoir auf die Bühne holt und ihr den Namen La môme Piaf gibt, was soviel bedeutet wie „junger Spatz“. Wild flattert der Spatz bald umher, in ganz Paris kennt man seinen Namen. Edith nimmt Platten auf, hat Affären, verliert ihr einziges Kind, wird wegen Mitwisserschaft bei der Ermordung von Louis Leplée angeklagt, singt während des Krieges für die Soldaten und bekommt von ihnen Lieder geschrieben… Die Lieder und die Männer haben es ihr angetan, sie war zweimal verheiratet und unzählige Male liiert. Sie hat so grandiose Stimmen entdeckt wie Gilbert Bécaud, Charles Aznavour oder George Moustaki, und obwohl sie nichts davon festhalten konnte und ihr diese Welt nichts mehr wert war, als Marcel Cerdan bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, und obwohl sie nicht mehr leben will, wenn sie nicht mehr singen kann, steht sie auf und nimmt Morphium, zieht ihr schwarzes Kleid an und singt. Bis zum Ende. Singt, und bereut nichts.
Es gibt ein paar Dinge im Leben, von denen wir so selbstverständlich umgeben und durchdrungen sind, dass es uns niemals in den Sinn käme, uns darüber zu wundern. Und dann gibt es Marion Cotillard, zerknitterte Eintrittskarten und ein Leben in Rosarot.
C. Fredo
Alpa Kino
Buch: Olivier Dahan
Regie: Olivier Dahan
Darsteller: Marion Cotillard (Edith Piaf), Jean-Pierre Martins, Gérard Depardieu, Clotilde Courau, Jean-Paul Rouve, Sylvie Testud, Marc Barbé, Caroline Sihol, Emmanuelle Seigner, Cathérine Allegret
Kamera: Matthias Fleischer
Musik: Marius Lange
Bundesstart: 22.02.2007
Start in Dresden: 22.02.2007
FSK: ab 12 Jahren