Der Fischer und seine Frau

Drama/Komödie, Deutschland 2005, 100 min

Es waren einmal ein Fischer und seine Frau, beide waren arm und hatten nur einander. Wäre es kein Märchen der Gebrüder Grimm, sondern eines von Janosch z.B., wäre hier fast schon Schluss, vielleicht noch mit dem Zusatz; sie waren glücklich, denn sie brauchten nichts. Sie hatten ja sich. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus als im Märchen, egal von wem es aufgeschrieben wurde. Der Grimmsche Fischer taucht im fernen Japan auf. Parasitologe Otto (Christian Ulmen), spezialisiert auf Amöbenkrankheiten beim Trend-Koi-Karpfen, findet sich Hals über Kopf verheiratet wieder. Seine neue Frau Ida (Alexandra Maria-Lara) träumte schon immer von Luxus und Karriere. Da kommt ihr dieser Otto gerade recht, wo er doch soeben für 15.000 Dollar einen Koi-Karpfen verkaufen konnte. Mit ihrer Strick-Schal-Kollektion (praktischerweise im Trend-Koi-Karpfen-Muster) will sie ebenfalls den großen Reibach machen. Dabei gilt es längst als ausgemachtes Märchen, dass der Hang zum materiellen Wohlstand ein typisch Weiblicher sei. Nichtsdestotrotz erzählt uns Doris Dörrie in ihrem neuen Film eben dieses Märchen. Sie legt dabei besonderen Wert auf das Verhältnis zwischen dem „nichts als seine Ruhe wollenden” Fischer-Mann und seiner „ihn darum immer mehr zum Reichtum anstachelnden” Fischer-Frau. Wer ist schuld? Wenn man Märchen-Analysten Glauben schenken will, stellt sich auch die Frage: Was war eher da? Das ewig dauernde Problem zwischen Männern und Frauen oder das Märchen von der Frau Ilsebill, die nicht so wie er wohl will.
Doris Dörrie geht erneut den nackten Tatsachen bis auf deren Grund. Sie hat sich (erklärtermaßen) in ihrem Bekanntenkreis inspirieren lassen. Da sind gesellschaftliche Projektionsflächen immer nur wertvoll, wenn es um materielle Wünsche geht. Befreundete Ehepaare werden an der Größe ihres Swimming Pools gemessen. Der Glaube an die Formel „Wohlstand ist gleich Glück” manifestiert sich in der Zahl der Bediensteten. Doch wenn der Glücksfisch, dem man den Kontostand verdankt, eines Tages weiterschwimmt, was bleibt dann noch übrig? Ein Ende wie im Märchen? Mit einer Frau, die beim Mann wieder lernen sollte, wie man einfach nur dasitzt und dem Leben zuschaut. Während er von ihr das Aussprechen eigener Bedürfnisse beigebracht bekommt.
Michael Rudolph