Deep Blue

Dokumentation, Großbritannien/Deutschland 2003, 90 min

Es stellen sich vor: Das Meer und seine Bewohner, in atemberaubenden Nahaufnahmen, die bis 5.000 Meter tief unter den Meeresspiegel führen. »Deep Blue« ist ein magisch schönes Action-Dokudrama, das die Welt der Fische so ehrfurchtsgebietend in Szene setzt wie zuvor »Mikrokosmos« die Insekten und »Nomaden der Lüfte« die Zugvögel. Wie sie erfüllt »Deep Blue« in der Flut computeranimierter Blockbuster die Sehnsucht nach Authentizität. Mit kaum nachvollziehbarer Leichtigkeit gleitet die Kamera über, auf und unter das Wasser und findet mitten auf dem Atlantik eine hochkarätig besetzte Kampfarena: Über springenden Delfinen kreisen große Vögel - ein Geschwader aus „Tölpeln“ -, die sich einer nach dem anderen wie Pfeile ins Wasser stürzen, um in mehreren Metern Tiefe schwimmend nach Sardinen zu schnappen. Der Schwarm der kleinen Fische dreht sich zum Wirbelsturm, zu einer „Fischkugel“, um ungreifbar für die Tintenfische, Delfine und das Riesenmaul eines Wals zu sein - vergebens.
Regisseur Alastair Fothergill, der zuvor einen BBC-Sechsteiler über die Tierwelt der Antarktis (»Life in the Freezer«) drehte, und sein auf Unterwasserfilme spezialisierter Co-Regisseur Andy Byatt zeigen paradiesische Schönheit und raue Existenzsicherung im ständigen Wechsel. Leben heißt: fressen oder gefressen werden. Immer wieder führen die behenden, eleganten Bewegungen der verletztlichen und gewaltsamen Wasserwesen zu faszinierenden Bildern. Unter Wasser sehen wir Pinguine rasend schnell wie Raketen auftauchen und auf die Eisfläche stürzen. Belugawale kreisen panisch unter einem Eisloch, an dem schon ein hungriger Polarbär auf sie wartet. Aber es gibt auch verspielte Momente. Tausende Krabben vergraben im Zeitraffer zu Samba-Rhythmen am Strand Eier. Des Nachts gleiten graue Fische kühn und mächtig wie Raumschiffflotten über ein Korallenriff und stürzen sich auf krabbelnde Wesen, die sich in Höhlen flüchten. Die Szene stellt den Angriff der elektronischen Kraken in »Matrix Revolutions« in den Schatten. Am Riff warten noch weitere unheimliche Begegnungen: Bei dem „wandelnden Busch“ oder „Blattfetzenfisch“ zerfließen die Grenzen von Pflanze und Tier. Bei diesen Einblicken aus nächster Nähe muss sich der Kinozuschauer einfach privilegiert fühlen.
Die Fahrt des Mini-U-Bootes über das gigantische unterseeische Mariana-Gebirge eröffnet eine weitere neue Welt. 1.000 Meter unter der Wasseroberfläche beginnt die lichtlose Zone, die mehr als 80 Prozent der Ozeane und damit den größten Lebensraum der Erde ausmacht. Plötzlich blitzen bunt leuchtende, bizarre Ungeheuer auf. In einer Tiefe von 4.000 Metern entdeckte Alastair Fothergill zwei neue Spezies.
Innerhalb von 5 Jahren entstanden an über 200 Drehorten mehr als 7.000 Stunden Filmmaterial, um so faszinierender ist die Qintessenz von 90 Minuten auf der Kinoleinwand. Der Film verzichtet weitgehend auf Informationen, er vertraut der Magie der Bilder. Für die Einspielung des Soundtracks konnten die Berliner Philharmoniker gewonnen werden - ein Novum in deren Geschichte.
Dorothee Tackmann