Niki de Saint Phalle: Wer ist das Monster - du oder ich?

Dokumentation/Kunst, Deutschland/Schweiz 1996, 93 min

Am 21. Mai 2002 starb Niki de Saint Phalle 72-jährig. Peter Schamoni, ein Spezialist für Künstlerbiografien im Spiel- (Caspar David Friedrich) und Dokumentarfilm (Max Ernst) setzte ihr 1995 ein würdiges filmisches Denkmal. Der Film erzählt Nikis Lebensgeschichte und widmet sich ausführlich ihrem Werk und der Zusammenarbeit mit ihrem 1991 verstorbenen Ehemann, dem berühmten Schweizer Kinetikkünsler Jean Tinguely.
Am Anfang ihrer künstlerischen Karriere steckte das Fotomodell Niki in einer tiefen Identitätskrise, aus der ihr weniger die Elektroschocks als der energische Griff zum Karabiner heraushalf. Die Autodidaktin wurde berühmt durch ihre TIRS, die Schießbilder einer Amazonin. Gezielte Schüsse auf reliefartige Gips-Assemblagen brachten verborgene Farbbeutel zur Explosion, die sich mit grellen Farbströmen über den fahlen Gips ergossen. Diese Schießhappenings, die ihr Anfang der sechziger Jahre einen festen Platz im Kreis der „Neuen Realisten“ sicherten, waren Nikis erste Befreiungsaktion von einem übergroßen Vater. Sie schoss zum Spaß, um zu sehen, wie das Bild blutete und starb. „Anstatt Terrorist zu werden, wurde ich Terrorist der Kunst.“ (Niki de Saint Phalle)
Heute, aus der Distanz lässt sich ihr mäanderndes Künstlerleben übersichtlich in verschiedene Epochen einteilen, und Regisseur Peter Schamoni hält sich im wesentlichen an die Chronologie der Ereignisse. Im ersten Wendepunkt ihres Schaffens, der Umkehr von Wut zum Schmerz, entwirft Niki schmerzensreiche, tüllverhüllte Brautskulpturen, die unentdeckte Frau als Kokon, pränatal. Der Durchbruch von Schmerz zur Freude beschert uns die Nanas. Die sexuelle Frau, die Verherrlichung der Mutterschaft, erreicht ihren Höhepunkt mit der ,größten Hure der Welt“, der begehbaren Riesenskulptur in Stockholm mit dem Titel „Sie - eine Kathedrale“. Die selbstbewussten und verspielten Nanas machen Niki einem breiten Publikum bekannt. Ihre Skulpturen tauchen überall auf , tummeln sich auf einem Kinderspielplatz in Jerusalem, spielen im Starvinsky-Brunnen in Paris. „Die Nanas an die Macht“ heißt ihr Slogan, die Nanas werden volkstümlich. Ab 1979 arbeitete sie an ihrem Lebenswerk: dem Tarot-Garten in der Toskana. Dieser Garten ist wie eine Rückeroberung des ureigenen Territoriums, ist eine Art Schlussstrich unter ihren langen Selbstwerdungsprozess.