Baise-moi
Sex und Gewalt in der Literatur sind zwar problematisch, aber je nach Sichtweise irgendwie salonfähig oder notwendiges Übel. Wird solch ein Buch jedoch verfilmt, fangen die Probleme an. So geschehen mit dem Skandalbuch Baise-Moi (Fick mich) der Französin Virginie Despentes, die 1995 mit dem Erscheinen ihres Romanes für einen kleinen Skandal sorgte (bei American Psycho dagegen wurde sehr sorgsam und sauber verfilmt). Die Filmrechte an Baise-moi sicherte sich Philippe Godeau, der als Produzent und Verleiher für sein etwas ausgefallenes Programm bekannt ist. Erst 1999 begannen die Dreharbeiten, als Virginie Despentes zwei aus dem Pornobusiness aussteigende Darstellerinnen als die ideale Besetzung für ihren Film entdeckte.
So übernehmen Raffaëla Anderson und Karen Bach die Rolle der Nadine und Manu in dem kleinen Roadmovie.
Nadine begeht nach einer Vergewaltigung einen Mord im Affekt. Auf ihrer Flucht begegnet sie Manu, der ebenfalls Schreckliches widerfahren ist. Und das ist der Beginn einer Tour de Force durch die französische Provinz - jenseits aller gängigen Klischees und Wertvorstellungen. Exzessive Gewalt- und Sexszenen dominieren. Die Musik, die Straße, der Sex, die Gewalt, einfach alles wird zum Adrenalinstoß für Manu und Nadine, um der Normalität zu entkommen.
Für Virginie Despentes ist ihr Film die konsequente und folgerichtige Umsetzung ihrer literarischen Arbeit und Ausdruck einer befreiten weiblichen Sexualität jenseits der von der entsprechenden Industrie generierten Bilder.
Für das Tun ihrer Protagonistinnen gibt es keine Entschuldigung, es ist jenseits unserer Verhaltensnormen. Keine Intellektualisierung bringt Erklärung. Es soll der Schrei nach direkter Emotion und Erregung sein (im Tun allerdings), um dem alltäglichen Gehorsam, der Selbstverleugnung und der Langeweile zu entkommen. Und, um diesen Zustand zu erreichen, braucht es manchmal nur eines kleinen Zufalls.
Ein sehr romantischer und an sich altmodischer Ansatz, der vielleicht so konsequent filmisch noch nicht umgesetzt wurde. Doch da ist das eingangs zitierte Problem und der mündige Zuschauer soll und kann selbst entscheiden. In Frankreich jedenfalls provozierte der Film eine nationale Debatte über Zensur und Pornographie.
ak
Buch: Virginie Despentes, Coralie Trinh Thi
Regie: Virginie Despentes
Darsteller: Raffaëla Anderson, Karen Bach, Hervé P. Gustave, Marc Rioufol, Ouassini Embarek
Kamera: Benoît Chamaillard
Produktion: Philippe Godeau
Bundesstart: 16.11.2000
Start in Dresden: 16.11.2000
FSK: ab 18 Jahren