TRAILER

Sterben

Drama, Deutschland 2024, 182 min

Tom (Lars Eidinger) ist Dirigent und steckt mitten in einer angespannten Orchesterprobe. Komponist, Musikstück und Musiker, alle stehen sich noch gegenseitig im Weg. Wenn bis zur Premiere alles gut läuft, sollte der Dirigent so etwas wie das Zentralgestirn sein, um das alles in geordneten Bahnen läuft. Doch der Kinosaal weiß längst, es kommt anders. Unvermittelt wird Tom aus der Probe gerissen, springt ins Auto und rast mit Ex-Freundin Liv (Anna Bederke) ins Geburtshaus, wo er deren dringlichen Wunsch erfüllt, hier an Stelle des ungeliebten Kindsvaters präsent zu sein. Mitten in dieses Hochgefühl entlädt sich die Wucht des ersten Filmkapitels. Denn exakt zu diesem Zeitpunkt telefoniert Toms hilflos am Boden hockende Mutter Lissy (Corinna Harfouch) mit ihrem Sohn. Die Siebzigjährige braucht dringend Hilfe, während ihr unter Parkinson leidender Mann Gerd (Hans-Uwe Bauer) halb nackt das Treppenhaus inspiziert. Mit alltäglichem Getöse krachen hier zwei Lebenswelten ineinander, und Regisseur Matthias Glasner packt noch Pflegestufen-Bürokratismus, Selbstverleugnung, Fahruntüchtigkeit oder Personalnotstand obenauf. Mutters vorwurfsvollen Unterton auf seiner Mailbox mag Tom gar nicht leiden, er mag auch seine Mutter nicht leiden. Doch diese Aussprache steht erst noch bevor… Später gesellen sich der schlingernde Kosmos von Toms alkoholkranker Schwester Ellen hinzu sowie das abrupte Ende eines depressiven Komponisten.
Wenn das Leben wie ein Haus wäre, dann gäbe es darin viele Räume. Nicht in allen würde gefeiert werden, würden Kinder gezeugt oder würde musiziert werden, nicht alle Räume wären zugänglich, und hier und da herrschte einfach nur Schweigen. In das Haus hinein und aus ihm heraus führten zwei Türen, durch die jeder Mensch einmal hindurch müsste. Geburt und Tod.
Matthias Glasners schonungslos vorgetragene Familienaufstellung verlangt von uns einiges ab. Ein Kind wird geboren, eigentlich zwei, ein Backenzahn wird mittels Rohrzange gezogen, zwei Menschen sterben, eigentlich drei, eine Konzertpremiere geht gründlich schief, dafür gelingt ein Plädoyer für den selbstbestimmten Freitod. Und über allem prangt der Brechtsche Spruch: Glotzt nicht so romantisch.
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