Hedis Hochzeit

Drama, Tunesien/Belgien/Frankreich 2016, 93 min

Leben heißt Kompromisse machen. Sich richtig frei zu fühlen, gelingt nur an ausgewählten Tagen. Die Zeit eine Woche vor der eigenen Hochzeit sollte zumindest dazu gehören. Hedi (Majd Mastoura), ein Automobilvertreter in Tunesien, wirkt da eher angespannt. Statt sich um seine anstehende Trauung kümmern zu können, muss er auf Dienstreise nach Mahdia. Eben schlurft er noch schlecht gelaunt zur Hotellobby, da begegnet ihm Rim (Rym Ben Messaoud), eine freie Mitarbeiterin des Hotels. Dem verzauberten Hedi offenbaren sich bald weitaus schwerwiegendere Konflikte seines verschlossenen Herzens. Seit seiner Kindheit rückt Hedis Mutter (Sabah Bouzouita) alles gerade im Leben ihres Sohnes, entscheidet und sorgt sich. Was durchaus kein Widerspruch ist in der offiziell männerdominierten Gesellschaft Tunesiens. So besorgte sie ihm auch seine Braut, die als Teil einer familiären Übereinkunft mit Wohlwollen aber ohne Liebe von ihm angenommen wurde. Was Hedi nun bis zum Tag seiner Hochzeit bleibt, sind Stunden voller ungewohnten Glückes und leidvoller Qualen, wobei letztere vor allem daraus resultieren, dass sich der einsilbige Mann nur schwer zu sich selbst und seiner Freiheit bekennen mag. Ein Synonym für den in Tunesien schwelenden Konflikt innerhalb der Gesellschaft. Regisseur Ben Attia, der auf der Berlinale 2016 den Silbernen Bären einheimste als Preis für den besten Erstlingsfilm, beleuchtet die Auswirkungen des arabischen Frühlings, wo etablierte Kräfte versuchen, das nach dem europäischen Festland treibende Boot zurückzurudern. Ganz sprichwörtlich zieht es auch den frisch verliebten, jedoch bereits verlobten Hedi nach Frankreich, wo sein Bruder lebt. Zu gern würde er auch das Autogewerbe an den Nagel hängen und seiner Neigung folgen, die ihn zu einem begabten Zeichner von Comics machen könnte… Majd Mastouras eindringliches Spiel eröffnet dem Zuschauer etliche Einstiegspunkte für eine Identifikation, der auch die Berlinale-Jury schwer widerstehen konnte. Sie belohnte die sensible Darstellung mit einem Silbernen Bären.
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