The Cut

Drama, Deutschland/Frankreich 2014, 139 min

Das Epos »The Cut« beschließt Fatih Akins ""Liebe, Tod und Teufel""-Trilogie, die er zehn Jahre zuvor mit dem hochemotionalen Identitätsdrama »Gegen die Wand« eröffnete. Den Mittelteil bildet der ruhige Ensemblefilm »Auf der anderen Seite« von 2007.
Stellvertretend für den Massenmord an der armenischen Minderheit, den die Osmanen 1915 begingen, erzählt Akin die Geschichte des Schmiedes Nazaret. Der junge Mann wird von seiner Familie getrennt, misshandelt und zur Zwangsarbeit getrieben. Seine Frau und die Töchter werden in ein Todeslager verschleppt. Er selbst überlebt den Völkermord nur knapp, sein Leben einem Türken verdankend, der den Todesbefehl nicht ausführt, wenngleich er Nazaret schwer verletzt. Doch verhilft er ihm auch zur Flucht. Wie ein Wiedergänger des Grauens irrt der Armenier durch die mesopotamische Wüste, konfrontiert die wenigen Menschen, die er trifft, mit seinem schweren Schicksal, seinem brennenden Blick. Nazaret hört, dass auch seine Töchter überlebt haben sollen und macht sich auf eine jahrelange Suche um die halbe Welt, die in den Prärien Norddakotas endet. Der Titel gebende Schnitt ist ein starkes Bild für den Völkermord, eine gelungene Metapher für die abrupte Trennung eines Vaters von seiner Familie, den plötzlichen Schnitt, der eine weitgehend intakte Vergangenheit von der grauenvoll brutalen Gegenwart trennt. Die Rolle des Nazaret ist auch für einen Könner wie Tahar Rahim (»Der Prophet«, »Le passé«) schwer zu meistern, muss er ihn doch, bis auf die kurzen Passagen des Beginns, ohne Stimme spielen. Das gelingt ihm über weite Strecken hervorragend, auch stumm macht er die Zerrissenheit dieses gepeinigten Mannes glaubhaft, der sich später selbst mit einem Mord befleckt. Weitere widersprüchliche Charaktere haben weder Akin noch sein Coautor Mardik Martin zugelassen. (Martin, ein Altmeister seines Fachs, schrieb Mitte bis Ende der 1970 Jahre Drehbücher für ein paar der besten Scorsese-Filme, so für »Wie ein wilder Stier«).
Fatih Akin scheut sich nicht vor Klischees, er benutzt sie. In kraftvollen magischen Bildern stellt er das Grauen des Mordens knallschwarz neben das Reinweiß der Liebe. Er inszeniert den Genozid als bedrückend aktuelles Märchen.
Grit Dora