Wolfskinder
Rick Ostermann ist über die Herkunft seiner Mutter auf ein wenig bekanntes Kapitel deutscher Geschichte gestoßen und hat es zu einem ungewöhnlichen Spielfilmdebüt verarbeitet. Es geht um verlorene Kindheit und Identität. So genannte „Wolfskinder“ waren Waisen, die nach Ende des 2. Weltkriegs in den Wäldern Ostpreußens um ihr Überleben kämpften. Diejenigen die es schafften, lebten teilweise bis nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion unter falscher Identität in Litauen. Bei Ostermann sind es zwei Brüder, der vierzehnjährige Hans und der neunjährige Karl. 1947 verlassen sie nach dem Hungertod der Mutter ihr ehemals ostpreußisches Heimatdorf. Sie wollen sich nach Litauen durchschlagen. Dort hoffen sie Unterschlupf bei befreundeten Bauern zu finden. Auf der Flucht werden die Jungen von versprengten Soldaten gejagt und schließlich voneinander getrennt. Hans schließt sich auf der Suche nach seinem Bruder einer Gruppe fremder Kinder an, die in den baltischen Wäldern Hunger, Wetter und Krankheit trotzt.
Geschult an Ansel Adams und Terrence Malick findet der Regisseur mit seiner Kamerafrau Leah Striker eine poetische Bildsprache, die auf subtile Weise Natur und Kinder in Einklang bringt. Verwendet wurden nur zwei Brennweiten, die ruhige Handkamera bleibt durchgehend ganz nah an den Kindern. Der Fokus liegt stets auf ihrem physischen Erleben. Knappe Dialoge treiben die Handlung voran. Ostermann spekuliert und verklärt nicht. Mit seinen archaischen Bildern gelingt es ihm nicht nur, ein Stück verdrängte deutsche Vergangenheit aufzuarbeiten. Er verweist auch exemplarisch auf die Leiden heutiger Kriegskinder. Trotz der erdrückenden Schwere des Themas ist »Wolfskinder« ein Film voller lichtdurchfluteter Naturschönheit und magischer Momente.
Grit Dora
Buch: Rick Ostermann
Regie: Rick Ostermann
Darsteller: Levin Liam, Helena Phil, Patrick Lorenczat, Vivien Ciskowska, Jördis Triebel, Willow Voges-Fernandes
Kamera: Leah Striker
Musik: Christoph M. Kaiser, Julian Maas
Produktion: Zum Goldenen Lamm, hr, Arte, Stefan Sporbert, Rüdiger Heinze, Jörg Himstedt, Birgit Kämpfer
Bundesstart: 28.08.2014
Start in Dresden: 28.08.2014
FSK: ab 12 Jahren