Peter Hujar’s Day (OmdU)
Erst unlängst betörte Regisseur Ira Sachs mit seiner Pariser ménage à trois „Passages“, als Franz Rogowski zwischen Ben Whishaw und Adèle Exarchopoulos künstlerisch wertvoll seine Tage verbummelte. Nun sucht sich Ira Sachs mit zwei konkreten New Yorker Avantgardefiguren aus den Siebziger Jahren und deren gemeinsam in einem Appartement verbrachten Dezembertag ein herrlich unkonventionelles Thema. Autorin Linda Rosenkrantz (Rebecca Hall) lädt ihren guten Bekannten, den Fotografen Peter Hujar (Ben Whishaw), zu sich ein, stellt ein paar Gläser auf den Tisch und ein Tonbandgerät und fragt ihn schlicht „How was yesterday?“ Sie ist im Begriff, ein Buch zu schreiben über das Tag-ein-Tag-aus-Leben von Künstlerinnen, und suchte nach der Essenz, nach dem Stoff, welcher sie von Kreativität trennt oder sie mit ihr verbindet. Welche Banalitäten werden zur Muse, was hattest du zum Lunch und steckt zwischen einem Telefonat mit Susan Sontag und einem Termin mit Alan Ginsberg noch Zeit, um die dreckige Wäsche zu erledigen? Heute, wo Millionen Menschen für ihr Leben gern zuschauen, wie andere Leute online ihre Wäsche waschen, sich die Nägel machen oder Essen zubereiten, heute klingt so ein 1974 intim authentisch verbummelter Tag zu zweit bei laufendem Tonbandgerät wie Old School Science Fiction. Zuerst meint Peter Hujar sorry, er könne ihr da wohl gar nicht mit so viel Material dienen. Doch dann sprudelt sein fotografisches Gedächtnis ohne Unterlass Details hervor, während beide rauchen, trinken, tanzen, die Plätze tauschen und die Zeit vergeht. Und während Linda lauthals zuhört. Sie ist das Gefäß, in welches Hujar seinen gestrigen Tag stopft, nachdem er sich ihn hat nochmals durch den Kopf gehen lassen. In seinem Falle taugte auch die Metapher; Linda ist das weiße Blatt Fotopapier, welches er nach und nach belichtet. Und auf dessen Oberfläche wir nun herumstöbern dürfen… Linda Rosenkrantz nahm alles auf, sie schrieb das Buch nicht, verlor das Tonband, hatte es glücklicherweise zuvor transkribiert, und gab die Blätter irgendwann zur Aufbewahrung der Morgan Library. Wo sie nach fünfzig Jahren in die Hände von Francis Schichtel und Jordan Weitzman fielen, die ein Buch daraus machten. Ira Sachs war mit seinem Film auf der Berlinale 2025 für den Teddy Award nominiert. Linda Rosenkrantz sah ihn bereits dreimal und hat jedes Mal geweint.
alpa kino
Buch: Linda Rosenkrantz, Ira Sachs
Regie: Ira Sachs
Darsteller: Ben Whishaw, Rebecca Hall
Kamera: Alex Ashe
Produktion: Jordan Drake, One Two Films
Bundesstart: 06.11.2025
Start in Dresden: 06.11.2025