Hannas Reise

Komödie, Deutschland/Israel 2013, 100 min

„Behinderte Juden zählen doppelt“, erklärt Hanna (Karoline Schuch) ihrem Freund. Sie ist eine ehrgeizige BWL-Studentin kurz vor dem Examen und braucht dringend Nachweise für soziales Engagement. Dies würde ihr das Weiterkommen in die nächste Runde eines Bewerbungsverfahrens ermöglichen. Lust hat sie darauf kein bisschen, stattdessen hofft sie, dass ihre Mutter (Suzanne von Borsody), Leiterin von „Aktion Friedensdienste“ für Israel, ihr einen Nachweis schreiben wird. Tut sie aber nicht. Das Verhältnis zwischen ihnen ist sowieso schon angespannt. Also muss Hanna nach Tel Aviv. Sie hat sich nie mit dem Holocaust auseinandergesetzt, interessiert sich nicht für Geschichte und findet, dass das alles lange vorbei ist und für sie keine Bedeutung hat.
Wenig überraschend muss sie feststellen, dass Geschichte immer auch die Nachkommen betrifft. Natürlich besteht zwischen Israelis und Deutschen ein spezielles Verhältnis. Hannas WG-Mitbewohner bieten da bereits ein differenziertes Bild: Carsten (Max Mauff) versucht als eine Art Wiedergutmachung die jüdische Kultur zu ergründen und zu leben, Maja hingegen protestiert, wo sie nur kann gegen die israelische Politik. Hannas Betreuer Itay (Doron Amit) ist ein Charmebolzen, der Hanna gleichzeitig mit sarkastischen Holocaustwitzen triezt.
Hanna ist ein gutes Beispiel für Vertreterinnen und Vertreter der so genannten „dritten Generation“: Sie findet, das sei alles lange her und beträfe sie nicht. Am Relativieren und Ignorieren schrammt sie damit teilweise knapp vorbei. Regisseurin und Drehbuchautorin Julia von Heinz konfrontiert ihre Hauptfigur auf mehreren Ebenen mit krassen Erfahrungen. Neben den Geschichten „ihrer“ Holocaust-Überlebenden erfährt sie Unbekanntes aus der Vergangenheit ihrer eigenen Mutter, und schließlich berichtet Itay von einem schrecklichen Verlust. Hannas Einstellung, Vergangenheit sei vergangen und alten Kram solle man am besten wegwerfen, wird deutlich erschüttert.
»Hannas Reise« packt also ziemlich viel Stoff in einen Film. Jenseits vom Geschichtsunterricht soll deutlich werden, welche Auswirkungen die Vergangenheit hat. Dass auch das Verhältnis zur eigenen Mutter vom Verhalten ihrer Eltern zur Nazizeit beeinflusst sein kann. Dass man seiner Familiengeschichte schwer entkommen kann. Das ist zwar ein bisschen didaktisch, aber vielleicht ist das bei geschichtsvergessenen Menschen der dritten Generation notwendig.
Petra Wille