Die schönen Tage

Drama, Frankreich 2013, 95 min

Wann ist eine Frau „alt“? Und was heißt das? Ist eine 60-Jährige zu jung für einen Seniorenclub? Vermutlich ist Fanny Ardant in jedem Alter ungeeignet für einen Seniorenclub, die Grande Dame des französischen Films - Jahrgang 1949 - drehte und lebte mit Meisterregisseur François Truffaut und hat drei Kinder von drei verschiedenen Männern. Zwischen den „typischen“ Senioren mit Glatze und Bauch, gekleidet in beige, ist sie definitiv fehl am Platze. In »Die schönen Tage« spielt sie die attraktive Zahnärztin Caro, die gerade ihre Praxis aufgegeben hat. Zu besagtem Seniorenclub - dessen Name dem Film den Titel gab - schenken ihr ihre Töchter einen Gutschein. Sie darf sich nun zwischen Töpfern, Schauspiel und Computerkurs entscheiden.
Die stolze Caro sprengt als erstes den Schauspielkurs, weil die Übungen gar zu albern sind. Dabei ist sie gar nicht arrogant, sondern einfach nur nicht bereit, sich vor versammeltem Kurs zum Obst zu machen und sich gleichzeitig von der Kursleiterin schikanieren zu lassen. Ein Computerkurs passt ihr eher, zumindest hegt sie die Hoffnung, dann zu Hause das Problem mit ihrem PC beheben zu können.
Hier nun beginnt eine recht spannungsvolle Dreiecksgeschichte, da der Kursleiter Julien (Laurent Lafitte) ihr sofort äußerst zugetan ist. Der Altersunterschied zwischen den beiden ist so groß, dass Caro seine Mutter sein könnte. Sie ist einerseits aufgeregt wie ein Teenager und fummelt nervös am Handy herum, wenn eine neue SMS von Julien eintrifft. Andererseits hat sie einen loyalen Ehemann (Patrick Chesnais) und besteht auf diskretem Vorgehen. Das ist besonders im Seniorenclub wichtig, wo sie unter Beobachtung stehen, aber in leerstehenden Räumen gute Gelegenheiten zum Treffen finden. In diesen Momenten hätte man sich etwas weniger Diskretion gewünscht: Regisseurin Marion Vernoux hätte uns durchaus mehr nackte Haut zumuten können - dass die nicht wie von 20-Jährigen aussieht, wäre ja nicht überraschend gewesen.
Fanny Ardant spielt die Caro so facettenreich, wie wir uns wünschen, dass Menschen gezeigt werden: erst unvernünftig, dann ganz rational, dann ungeduldig und dann auch mal sehr weise und viel gelassener als der jüngere Mann. Sie hat mit dem Leben keinesfalls abgeschlossen, im Gegenteil nutzt sie die Rentenzeit für Abenteuer und Neuentdeckungen. Dass das mit über 60 nicht unbedingt dazu führen muss, alles dauerhaft auf den Kopf zu stellen, kann ja auch eine neue Erfahrung sein.
Petra Wille