Russendisko
Alter Schalter, 1990, das war´n Jahr! Keiner wusste in der DäDäRädä so richtig, was nun erlaubt oder verboten war, und IM Erika versuchte ihr Glück in der aufkeimenden Demokratie. Alles befand sich in so etwas wie einem gesetzlosen Schwebezustand. Während ich an den Wochenenden gen Norden nach Westberlin fuhr und alte Lederjacken verkloppte, um mir Westbier, Döner und Konzertbesuche leisten zu können, kam Wladimir Kaminer mit ein paar Kumpels, sozusagen im rechten Winkel aus dem tiefsten Osten, um erstmal in der DDR ein neues Leben zu beginnen. Zwar hatte er im Gegensatz zu mir keinen Plan, aber alles war 1990 besser, als in Bad Moskau abzuhängen. Während ich Lederjacken verkloppend und Rockkonzerte gebend durch das offene Berlin tingelte, wurden Wladimir (Matthias Schweighöfer), Mischa (Friedrich Mücke) und Andrej (Christian Friedel) erstmal in Marzahn in eine schmucke Platte einquartiert. Als gymnastizierter Russe übersteht man ja sowieso prinzipiell alles, aber trotzdem müssen irgendwie Penunzen her, ohne sich gleich in der neuen Heimat unbeliebt zu machen. So also versucht man sich erstmal im prosperierenden Genussmittelhandel, was aber den schon etwas länger im Lande verweilenden Vietnamesen, oder wie der Sachse spruch, Fitmamesn so gar nicht gefällt. Marzahn ist dann doch nicht so fetzig und Prenzlberg noch nicht vom ökoterroristischen Schwaben verseucht. Am unteren Rande von Prenzlberg, also schon in Mitte wird man rasch auf das frisch wiederbeatmete Kaffee Burger aufmerksam und stattet darin mal einen Abend mit alten Schallplatten aus der Heimat aus. Das schlägt ein wie eine dicke Pelmeni in die heiße Borschtschsuppe, und die einst negativ besetze Bezeichnung Russendisko findet eine grandiose Auferstehung. Na ja, und da der Wladimir ja gelernter Dramaturg ist, hatte er nicht verabsäumt, all die kleinen kostbaren Anekdoten über den Zusammenprall der Kulturen auch zu Papier zu bringen und diese im Jahre 2000 zu veröffentlichen. Da sich das Buch über eine Million mal verkaufte, konnte Wladimirs Suche nach dem Plan dawai ad acta gelegt werden. Nun hat es noch ein paar Jährchen gedauert, bis Regisseur Oliver Ziegenbalg und er das Buch zu einem Drehbuch umgebastelt hatten und den uns hier vorliegenden Film präsentieren können. Ich habe ihn leider noch nicht gesehen, man hat mir aber gesagt, dass die Passagen mit meinen Lederjacken nicht mit dabei wären, was auch relativ logisch ist, da Wladimir und ich uns erst 2003 in Dresden begegnet sind, als sein Buch bereits fertig war. So, jetzt lege ich mich erstmal wieder hin und ich denke, dass wird schon ein fetziger Film sein. Falls der Film einen Oskar bekommen sollte, könnte ich eventuell meine Emails mit Wladimir bei ebay oder an die Frau Koch von der Mopo verkaufen.
Ray van Zeschau (geb. am Tag der Kosmonauten)
Buch: Oliver Ziegenbalg nach dem gleichnamigen Buch von Wladimir Kaminer
Regie: Oliver Ziegenbalg
Darsteller: Matthias Schweighöfer (Wladimir Kaminer), Friedrich Mücke, Christian Friedel, Peri Baumeister
Kamera: Tetsuo Nagata
Musik: Yuriy Gurzhy
Produktion: Black Forest Films, Christoph Hahnheiser, Arthur Cohn, Stefan Gärtner
Bundesstart: 29.03.2012
Start in Dresden: 29.03.2012
FSK: ab 6 Jahren