Breath Made Visible: Anna Halprin

Dokumentation, Schweiz/USA 2009

Was ist Tanz? Außer Ritual, Hingabe und Ekstase? Und abgesehen von Bewegung, Schweiß und Atem. „Tanz ist was du siehst, was du riechst, ist was du fühlst.“ Tanz ist in dir. Wie ein behutsamer Gedanke, ein großartiger Schrei, er entfaltet sich wie die Ahnung von einer üppigen Blütenpracht beim Anblick der Knospe. Worte sind oft so karg. Stehen da in einer Reihe. Dann spricht man besser mit den Händen, weil Gefühle nicht in Reih und Glied passen. Doch wenn der Mensch richtig voll von etwas ist, muss er tanzen. Was sonst soll er machen? Soll er platzen? Seit nahezu einem Jahrhundert kommuniziert Anna Halprin mit ihrer Umwelt über den gesamten Körper, drückt ihre Freude aus, quer durch den Raum, ebenso wie ihr Bedauern, studiert menschliche Bewegung als Verständigung und vermittelt so eine neue Art von Körperbewusstsein. Sie tanzt. Als Achtzigjährige gibt sie sich den Pazifikwellen hin, mit Fünfzig tanzt sie sich den Weg frei zur Heilung von einer Krebsdiagnose und als junge Frau tanzt sie nackt in die Skandalnachrichten des prüden Amerika. 1920 in Illinois geboren, gründet sie 1950 den San Francisco Dancers Workshop, schwingt sich von Dächern und tanzt mit einem Fahrrad, inspiriert Cage, Brautigan und Antonioni und vermischt Schwarz und Weiß bereits in den Sechzigern. Der Schweizer Regisseur Ruedi Gerber fasste vor zehn Jahren einen Plan. Er wollte schauen, ob diese Magie sich einfangen ließe. Ob er diesem quirligen Wesen ein Gefäß geben könnte. Als Mensch ist sie eine Philosophin, als Tänzerin eine Legende und Freunde nennen sie eine Prophetin. Dabei ist doch alles so einfach. Nur darf man nicht den Fehler begehen (wie die meisten von uns), alle seine Empfindungen dem Sprachzentrum zu überlassen. Dann verkümmern die Hand, der Bauch und die Seele. Wenn sich ein Mensch bewegt, dann fühlt er etwas dabei. Er fertigt eine Übersetzung an. Wollte er das Gefühlte beschreiben, bräuchte der Nichttänzer dazu Worte. Anna Halprin beherrscht diese Kunst der Übersetzung wortlos in beiden Richtungen. Sie macht aus einem Gefühl auch wieder eine Bewegung. Und sie spricht, ähm Verzeihung, sie tanzt ihre Sprache so perfekt, dass andere Menschen sie auf Anhieb verstehen, in ihre Welt eintauchen können und weinen vor Glück.
alpa kino

Regie: Ruedi Gerber

Darsteller: Anna Halprin

Kamera: Adam Teichman

Musik: Mario Grigorov

Produktion: Ruedi Gerber, Mike King

Bundesstart: 15.07.2010

Start in Dresden: 05.08.2010