The Exploding Girl

Drama, USA 2009, 79 min

Noch vor dem Vorspann offenbart der Film eines seiner bezauberndsten Bilder. Über das versonnen dreinschauende Gesicht eines Mädchens rasen ekstatische Lichtblitze. Hundertmal pro Sekunde explodiert auf ihrem Antlitz ein Sonnenstrahl. Vierundzwanzig mal pro Sekunde verharrt die Kamera reglos genau dort, wo sich scheinbar alles abspielen soll in den folgenden neunzig Minuten. Und dies gleich vorweg; es ist ein leiser Film. Sicher, es gibt eine Handvoll Szenen, wo es gut passte, wenn die 20-jährige Ivy wenigstens mal kurz aus ihrer Haut führe, und wo man darum fleht, dass sie für fünf oder sechs Atemzüge ihre beneidenswerte Contenance verlöre, doch sie lässt nicht einen einzigen Funken an die Lunte. Und offenbar keinen Kummer an ihr Herz. Sie verbringt ihre Semesterferien daheim bei Mama in Brooklyn, belegt ein paar Kurse und schaut sich um im Viertel. Sie lässt sich treiben. Glaubt man der angenehm verführerischen Kamera, dann könnte am Ende des Sommers für Ivy so etwas wie eine Romanze stehen. Mit Al, der kurzerhand bei ihr einzieht, weil seine eigene Bude belegt ist. Die beiden kennen sich seit der Schulzeit; zwei verblüffend unaufgeregte Jugendliche, er so eine Art pubertärer Art Garfunkel und sie eine pausbäckige Maggie Gyllenhal. Alt genug, um von der Liebe erste Schmerzen zu empfangen, aber noch zu jung, um sich, zumindest Hilfe suchend, aneinander zu schmiegen. Doch halt! Subtrahiert man alle cineastischen Prägungen und macht landläufige Erwartungen mundtot, stellt der Zuschauer verblüfft fest, dass es dieser wundervollen Liebesgeschichte an nichts mangelt. Sie, in den Ferien unglücklich getrennt von einem emotionalen Trottel. Er, zufällig in ihre Nähe geschlichen mit einer trefflichen Ausrede. Sie, bald verlassen. Er, allzeit präsent. Mit jeder neuen Drehbuchseite rücken die beiden enger aneinander. Wo sich bei dem einen Räume auftun, schlüpft der andere leise hinein. Und lässt die Türe angelehnt. Wie selbstverständlich neigen sie sich einander zu, daraus entsteht Nähe und daraus wiederum entstünde alles Mögliche. Gemeinsame Partybesuche könnten folgen, sie dürfte ihm die Angst vorm ersten Kuss rauben, er würde mit ihr seine Lieblingssongs des Sommers teilen. Wo er nicht wüsste, wen er wirklich mag, könnte sie leise 'Hier, ich' rufen und wenn sie zwei lose Enden einer Beziehung zu verknoten hätte, hielte er den Faden bereit. Doch am Schluss wird man den Machern des Filmes danken. Für alle Auslassungen. Für ihr kluges Innehalten und die sonnenüberfluteten Leerstellen.
Es ist, wie eingangs beschrieben; flimmernd rast der Film über unser verträumtes Antlitz. Wir sehen alles. Wir lernen ein hoffnungsvolles Beziehungsgespenst kennen. The missing link between love. Wir erleben ein kurzes Erwachen zwischen zwei Träumen. Mit offenen Augen. Und obendrein sehen wir auch noch das, was nicht auf der Leinwand ist. Mit offenem Herzen.

Buch: Bradley Rust Gray

Regie: Bradley Rust Gray

Darsteller: Mark Rendall, Hunter Canning, Maryann Urbano, Zoe Kazan

Kamera: Eric Lin

Produktion: Soandbrad, Parts and Labor, MBS Productions, Karin Chien, Ben Howe, Yong Kim So

Bundesstart: 06.05.2010

Start in Dresden: 06.05.2010