Brand Upon the Brain!

Drama, USA/Kanada 2006, 95 min

Wer gelegentlich Langeweile verspürt beim Nacherzählen seiner letzten drei Kinobesuche, … Achtung aufgepasst, hier kommt frischer Stoff. Ein expressionistischer Stummfilm auf Speed: Der Lieblingssohn erfüllt seiner Mutter den letzten Willen und rudert dazu auf die Insel seiner Kindheit, um den Leuchtturm neu zu streichen. In dreißig Jahren hat sich hier nichts verändert, in Guys Erinnerung sowieso nicht. Den ersten Fuß an Land gesetzt, findet Guy sich unter den Waisenkindern wieder, die gemeinsam mit seiner Schwester ins Innere des Leuchtturms gepfercht waren und vom Vater regelmäßig ihrer Hirnflüssigkeit beraubt wurden. Der Brain-Nektar dient der tyrannischen Mutter, die oben im Turm hockt und alles durch ihr Aerophon sehen kann, als eine Art Verjüngungs- und Besamungscocktail für ihren unerfüllten Kinderwunsch. Doch das Unheil bricht erst richtig los, als die Lightbulb Kids, ein androgynes Geschwisterpaar, ihre Nachforschungen vor Ort anstellen und unter den ausgelaugten und liebesbedürftigen Waisen die größte Verwirrung stiften. Für den Zuschauer ist es sicher von Vorteil, wenn er bereits mit Albträumen gelernt hat umzugehen. Er sollte auch einen gewissen ästhetischen Reiz an Luis Buñuels »Der andalusische Hund« gefunden und ordentlich Nervenkitzel bei David Lynchs »Eraserhead« verspürt haben, sonst sitzt er mit Guy Maddins Zelluloid-Anamnese im vollkommen falschen Boot. Der Kanadier filmt wie im Traum. Als hätte er den ganzen Abend »Franks Wildest Years« gehört, Edgar Allen Poe dazu gelesen und nun beschlossen, in halluzinatorisch zerhackten Sequenzen, grobkörnig überbelichtet und stumm orchestriert, die dreckige Innenseite seines zermarterten Gemütes zu offenbaren, auf welchem die Angst vor Inzest und Vampirismus oder die Sehnsucht nach Wiederauferstehung und unbefleckter Empfängnis tiefe Narben hinterlassen haben. Nach diesem berauschenden Trip durch Maddins garstig schöne Seelenlandschaft greift man sich unwillkürlich an den Nacken und sucht nach den beiden Anzapfstellen…

Buch: Guy Maddin, George Toles

Regie: Guy Maddin

Darsteller: Erik Steffen Maahs, Gretchen Krich, Sullivan Brown, Susan Corzatte, Andrew Loviska

Kamera: Benjamin Kasulke

Produktion: The Film Company, Amy E. Jacobson, Gregg Lachow

Bundesstart: 17.12.2009

Start in Dresden: 29.04.2010