Harlan - Im Schatten von Jud Süss

Dokumentation, Deutschland 2008, 99 min

Mit keinem anderen Namen ist die filmische Begleitung des Holocaust so eng verbunden wie mit dem Namen Veit Harlan, dem Meisterregisseur in den Diensten von Propagandaminister Joseph Goebbels. Sein Propagandawerk »Jud Süß« ist und bleibt der schändlichste antisemitische Spielfilm der NS-Zeit.
Als ebenso besessener wie begabter Künstler ist Veit Harlan die schillerndste Figur des Nazi-Films neben Leni Riefenstahl. Ein Spezialist für nationalen Kitsch und Todesverklärung, ein Melodramatiker, ein ebenso verblendeter wie talentierter Vorzeige-Künstler. Millionen Deutsche und andere Europäer sahen seine Filme. Sie waren Kassenschlager in ganz Europa und prägten die Mentalität unzähliger Zuschauer, die in »Die goldene Stadt« oder »Opfergang« um das Schicksal der blonden Schwedin Kristina Söderbaum bangten, Harlans dritter Ehefrau und ständiger Hauptdarstellerin. Mit dem Monumentalfilm »Kolberg« schuf er 1944/45 das große Durchhalteepos eines untergehenden Regimes. Dennoch sind selbst heute noch viele von der Ästhetik und düster-verführerischen Kraft der Harlan-Filme fasziniert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Veit Harlan für seinen Film »Jud Süß« zweimal wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Beide Male wurde er freigesprochen.
Der Film erzählt die Geschichte des umstrittenen Regisseurs und wie sich seine Kinder und Enkel bis heute mit der Person und den Filmen auseinandersetzen. Sein ältester Sohn Thomas und seine Töchter Maria und Susanne erlebten zwei Prozesse gegen den Vater, aber auch, wie er scheinbar ungebrochen weiter Filme in der jungen Bundesrepublik drehte. Ihre Reaktionen darauf fielen - zerrissen zwischen Vaterliebe und Abrechnung - teilweise extrem aus. Veit Harlan polarisierte die Gesellschaft der 50er Jahre. War er Nazi? War er Antisemit? Ein „Mordinstrument“ nannte Thomas Harlan den Film »Jud Süß« und brach mit dem Vater - zu einer Versöhnung kam es erst auf dem Totenbett. Seine Schwester Maria wollte nach dem Krieg Schauspielerin werden und musste den Namen Harlan ablegen, weil sie sonst keine Engagements bekommen hätte. Gemeinsam litten sie unter dem schändlichen Erbe - aber auch tiefe Risse in der Familie werden sichtbar, wie damit umzugehen sei und ob man den Vater öffentlich kritisieren dürfe. Bis hin zu Veit Harlans Nichte Christiane, Witwe des legendären Regisseurs Stanley Kubrick, reicht diese verzweigte Familie. Christianes Bruder Jan Harlan, Produktionsleiter bei Kubrick, erinnert sich, dass Stanley Kubrick - möglicherweise inspiriert durch die familiäre Verbindung - einen Film über den Alltag der Nazi-Filmproduktion geplant hatte.
Neben den Erfahrungen der zweiten richtet sich der Blick des Films auch auf die dritte Harlan-Generation: Mit Neugier, Scham oder auch bewusster Distanz reagieren sie auf die Konfrontation mit der Familiengeschichte. Dieser Schatten von »Jud Süß« ist, freilich abgeschwächt, auch noch in der dritten Generation der Harlans spürbar. Thomas Harlans Tochter, die in Frankreich zur Schule ging, wurde wegen der „Nazi-Großeltern“ beschimpft. Jessica Jacoby - der eine Großvater war Veit Harlan, der andere ein im Holocaust umgekommener jüdischer Kaufmann - verkörpert wie keine andere die Spaltung deutscher Familien in Opfer und Täter.
In dem mit zahlreichen Filmausschnitten und erstmals gezeigtem Privatmaterial aus dem Familienarchiv montierten Dokumentarfilm reflektieren Veit Harlans Söhne, Töchter und Enkel das Schicksal der Familie in der Nachkriegszeit und den Einfluss der Vergangenheit auf das eigene Leben bis heute.

Buch: Felix Moeller

Regie: Felix Moeller

Kamera: Ludolph Weyer

Musik: Marco Hertenstein, eingespielt vom Philharmonischen Filmorchester München

Produktion: Blueprint Film

Bundesstart: 23.04.2009

Start in Dresden: 23.04.2009

FSK: ab 12 Jahren