Zwei Mädchen aus Istanbul

Drama, Türkei 2005, 107 min

Als Tom Tykwers rote Lola 1998 durch Berlin rannte, kam sie auch am Nachtclub vorbei, wo der türkische Regisseur Kutlug Ataman seinen Film »Lola und Bilidikid« drehte. Ein paar Jahre später ist sie wieder da und spült das Geschirr in Istanbul. Ein flammendes Symbol aus roten Haaren überschattet wuschelweich ein Paar scharfblitzender, dunkler Augen. Die selbstbewusste Behiye ist nicht mehr länger eine türkische Frau, die sich mit verkrusteter Familienoligarchie abfindet. Schon gar nicht lässt sie sich vom jüngeren Bruder schikanieren. Mutig wirft sie den Kopf in den Nacken und verlässt ihr Heim ohne genaues Ziel. Ein Springmesser vom Trödler gegen die Wegelagerer, eine schicke Jacke aus der Boutique gegen die Gaffer und ein trotziger Schmollmund sollten ihr fürs Erste genügen, um ungestört des Weges zu ziehen. Doch dann begegnet sie Handan und auf diese Wucht ist Behiye nicht vorbereitet. Aus dem vornehmen Stadtteil Etiler stammt die zarte Handan, die allein mit ihrer faszinierenden Frau Mutter in einem riesigen Apartment haust. Eine Königin ohne Volk und eine Prizessin ohne Kugel, ein Traum in pink und doch nur die perfekt zur Schau gestellte Prostitution einer ganzen Gesellschaft. Das Klischee greift viel zu kurz, denn Regisseur Ataman hat uns längst in seiner Falle gefangen. Täppisch läuft man hinein, gierig saugt jeder Blick am Vorstadthonig, und wenn die pinke Prinzessin auf die rote Stadtstreicherin trifft, dann verkehren sich die Vorzeichen. Wo man kleine Lüsternheiten ertastet glaubt, tun sich Abgründe auf. Wo die starke Behiye zum Führer erkoren wird, um dem Goldkehlchen den Weg aus dem Käfig zu zeigen, tauschen sie kurz darauf Kette und Ring. Sie sind zwei Jungfrauen, sauber und rein, Schneeweißchen und Rosenrot. Beide auf verschiedenen Wegen. Für einen Moment halten sie einander umschlungen, bewundern sich gegenseitig für das nichtgelebte Leben und kümmern sich keinen Deut um das, was die übrige Stadt von ihnen denkt. Handan entdeckt ihre Sehnsucht nach Nähe in Behiyes Armen und weiß ihr einen Namen und ein Gesicht zu geben, es ist ihr Vater, den sie nicht kennt, weil er in Australien lebt. Behiye beschafft Geld für eine Reise, sie macht Handan Mut, den sie selbst nicht hat. Doch das kostet sie Teile ihres wertvollen Panzers. Längst zweifelt sie an ihrer Kraft, und bald erkennt auch Handans Mutter, dass sie Behiyes Panzer ganz leicht durchdringt. Dieser Frau gelingt einfach alles. Doch ihr Plan geht nicht auf, denn sie bekommt die Tochter nicht zurück, wenn sie ihr das liebste Spielzeug in Ketten schlägt. Man kann nicht alles kaufen, egal in welcher Währung man zahlt. C. Fredo
alpa kino

Buch: Kutlug Ataman

Regie: Kutlug Ataman

Darsteller: Feride Cetin, Vildan Atasever, Hülya Avsar, Tugce Tamer, Hikmet Kormukcu

Kamera: Emre Erkman

Produktion: Yalandunya, Gulen Güler

Bundesstart: 28.09.2006

Start in Dresden: 15.02.2007