Der Spiegel

Drama, UdSSR 1975, 108 min

Alexej erinnert sich. An das Leben, die Kindheit und an die Mutter. Sie ist eine schöne Frau. Der Regen macht sie schön; wenn sie hindurch läuft, verschwimmt Alexejs Bild der Mutter mit dem seiner eigenen Frau Natalia. Ein Haus im Wald, das Kind mit dem Glas Milch. Die Eltern sind getrennt, Alexej versucht sich zu besinnen, ob der Krieg daran irgendeine Schuld hatte. Welchen Teil trug die Zeit dazu bei, die sein bisheriges Leben ausmachte? Es ist Frühling, die deutschen Truppen kapitulieren. Wo ist Vater? Hat die Zeit ihn verschluckt? Ganz sicher hat sie das. Vielleicht als die Scheune abbrannte. Mutter ruft ihn zurück in die Gegenwart. Sie raucht mit einem Fremden eine Zigarette, der Mann fragt nach dem Weg. Alexej erinnert sich nicht an alles, doch jetzt hört er Vaters Stimme eines seiner alten Gedichte rezitieren. „Die Zukunft geschieht jetzt…“
Vater Arseni Tarkowski hat es geschrieben, der Sohn Andrej Tarkowski hat sich daran erinnert, hat montiert und assoziiert, was ihn sein Leben lang bewegte. Die gesellschaftlichen Umwälzungen in der Sowjetunion sind der Hintergrund, kurze historische Fetzen dienen als Anker in der Zeit, um das Boot daran festzumachen und nach der Vergangenheit zu forschen. Dazu wirft Tarkowski ganz private Erinnerungen aus wie Fischernetze und holt mit ihnen vom Grund herauf, was dieser ihm preisgibt. Die Chronologie gerät dabei nicht wie ein roter Faden, und auch die dramaturgischen Abläufe müssen sich dem seltsamen Versmaß des Erinnerns unterordnen. Doch Tarkowskis Bilder erreichen das Bewusstsein des Zuschauers, ruhig tauchen sie in den See, ohne die spiegelglatte Fläche zu brechen.
Alexej erinnert sich. An die Zeit, die ihn formte, an die Ereignisse, die ihn zum Sprechen brachten, an andere, die ihn verstummen ließen. An die Liebe, die Lichtung im Wald und an die Mutter. Durch den Spiegel verläuft die Zeit. Wenn sie hindurch gegangen ist, dann sehen wir nur noch ihr Abbild. Alles verschwimmt. Alles zerfließt, und bereits das erste Echo, das vom nahen Wald zurückkehrt, klingt angenehmer als der Ruf selbst.