Taking Sides - Der Fall Furtwängler
Dr. Wilhelm Furtwängler, geboren am 25. Januar 1886 in Berlin, war einer der größten Dirigenten des 20. Jahrhunderts und eine Schlüsselfigur der musikalischen Romantik. Während seiner Schaffenszeit leitete er unter anderem das Gewandhausorchester in Leipzig, das Berliner Philharmonische Orchester und die Wiener Philharmoniker und wurde insbesondere wegen seines leidenschaftlichen Stils und der hervorragenden Interpretation von Werken Beethovens und Wagners berühmt.
Seine Entscheidung, auch nach 1933 in Deutschland zu bleiben, während andere namhafte deutsche Künstler und Musiker ins Ausland gingen, führte zu öffentlichen Kontroversen und Anschuldigungen.
Stoff genug für István Szabó (“Hanussen“, „Mephisto“, „Sunshine“), der seinen auf wahren Begebenheiten beruhenden Film im Berlin unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ansiedelt. Im Rahmen der Entnazifizierung bereiten die amerikanischen Besatzungsbehörden einen Prozess gegen den alternden Stardirigenten vor. Furtwängler, von Göring zum Preußischen Staatsrat und von Goebbels zum Vizepräsidenten der Reichskulturkammer ernannt, steht im Verdacht, zu den Nazis sehr gute Beziehungen gepflegt zu haben. Andererseits galten seine Konzerte als Bastionen des Widerstands. Seine Beziehungen nutzte er, um zahlreiche jüdische Musiker in sein Orchester aufzunehmen und damit vor dem sicheren Tod im Konzentrationslager zu bewahren.
Der amerikanische Major Steve Arnold (Harvey Keitel) ist beauftragt, den Fall Furtwängler zu untersuchen und den Dirigenten - als aktiven Beitrag zur Ausrottung des Nazismus in Deutschland - zu überführen. Seine Mission ist es, ein Exempel zu statuieren, koste es, was es wolle. So macht sich Arnold mit seiner vereinfachenden Schwarz-Weiß-Gerechtigkeit ans Werk. Er kann nicht verstehen, dass seine deutschen Mitarbeiter, selbst Verfolgte des Nazi-Regimes, Furtwängler als großen Musiker achten. Dessen Standpunkt, dass Kunst und Politik nichts miteinander zu tun haben, will er nicht akzeptieren. Für ihn liegen die Beweise seiner Komplizenschaft mit den Nazis klar auf der Hand. Je länger die Vernehmungen dauern, umso unerbittlicher wird Arnold. Denn langsam wird ihm klar, dass Furtwängler ihm zu entwischen droht. Bis seine harschen Verhörtechniken und das Doppelspiel eines Zeugen ihm doch noch die Möglichkeit eröffnen, die Schlinge um Furtwängler festzuziehen…
Mit einer großartigen Besetzung (neben Harvey Keitel spielen Stellan Skarsgard und Moritz Bleibtreu) entwirft Szabó Fragen nach Moral und Schuld, Verhältnismäßigkeit und Recht, zu denen sich der Zuschauer selbst positionieren muss.
Buch: Ronald Harwood
Regie: István Szabó
Darsteller: Harvey Keitel, Stellan Skarsgård, Moritz Bleibtreu, Birgit Minichmayr, Oleg Tabakow, Ulrich Tukur, Hanns Zischler, August Zirner, Robin Renucci, R. Lee Ermey, Frank Leboeuf, Jed Curtis, Daniel White, Rinat Shaham, Thomas Thieme, Garrick Hagon
Kamera: Lajos Koltai
Musik: Ludwig van Beethoven, Anton Bruckner, Franz Schubert
Produktion: Maecenas, Studio Babelsberg, MBP Medienbeteiligung, Little Big Bear Filmproduction (F), Yves Pasquier
Bundesstart: 07.03.2002
Start in Dresden: 07.03.2002