Das Geheimnis

Drama, Frankreich 2000, 107 min

Auf den ersten Blick ist im Leben der 35-jährigen Marie alles in Ordnung. Die eher unauffällige junge Frau ist mit einem nicht minder unauffälligen Mann verheiratet und Mutter eines süßen Zweijährigen. Das Trio würde überall als glückliche Familie durchgehen und Marie sähe wohl keinen Anlass, dieses Urteil nicht zu bestätigen. Selbst die Arbeit macht ihr Spaß. Als Vertreterin für Lexica tingelt sie erfolgreich von Tür zu Tür. Bis sie eines Tages bei einem ihrer Termine dem 50-jährigen Afroamerikaner Bill begegnet…
Die Emanzipation der Frau in erotischen Eskapaden gehört zu den aktuellen Trends des französischen Kinos. Wie ihre Kollegin Catherine Breillat in »Romance« gelingt auch Virginie Wagon eine unverstellte weibliche Sichtweise auf die Dinge. Doch während Breillat mit ihren offenherzigen Sexszenen schockiert und dabei Gefahr läuft, dass ihre eigentlichen Aussagen übersehen werden, legt Virginie Wagon den Schwerpunkt auf das Handeln der Frau. Gerade dass sie keine extremen äußeren Umstände zu ihrem Tun treiben, macht die Geschichte so brisant. Marie folgt bei ihrer Identitätssuche scheinbar einem Urinstinkt. Der Ausbruch aus dem wohl dosierten Glück über die eigenen Grenzen hinaus erfolgt beinahe unbewusst. Schritt für Schritt schreitet Marie einem ihr unbekannten Ziel entgegen. Dazu gehört auch, dass sie in ihrem Handeln nicht immer sympathisch erscheint. Doch Marie wirkt, eben weil sie sich keinen moralischen oder pragmatischen Prämissen unterwirft, jederzeit glaubhaft. Sie sucht den Skandal, um ihre eigene Persönlichkeit neu zu ordnen. Die Wahrhaftigkeit und die konsequente Weiterentwicklung der Geschichte machen die Stärke dieses Films aus. Er schreckt nicht vor den bitteren Folgen radikalen Handelns zurück. So bleibt dem Zuschauer viel Raum für eigene Betrachtungen. Und die können dann auch ruhig einmal beunruhigend ausfallen.