No One Will Know

Es scheint ein Morgen zu werden wie jeder andere, alles ist ruhig in der kleinen Cafe-Bar in einem Pariser Außenbezirk. Ein alter Stammgast stellt in der Morgendämmerung fest, dass er einen Lotto-Schein mit einem Gewinn von 294 Millionen Euro in der Hand hat. Gleichzeit beginnt ein Unbekannter zu schießen und tötet den Gewinner. Der unwahrscheinlich hohe Jackpot hat urplötzlich keinen Besitzer mehr. Schnell ist klar, dass die verbleibenden Gäste die Kohle einstreichen und unter sich aufteilen wollen. Es gilt also, gemeinsam den Vorfall zu verschleiern, der Polizei gegenüber eine schlüssige falsche Geschichte zu erzählen. Die Gier ist weitaus größer als der Schock über den Mord, die Gruppe verstrickt sich in Verlustangst und Realitätsverlust, Chaos, Gewalt und Selbstbetrug folgen. Der französische Filmemacher Vincent Maël Cardona (»Magnetic Beats«, 2021 )inszeniert seinen zweiten Langfilm als düsteren Ensemblethriller, der unter dem Originaltitel »Le Roi Soleil« in Cannes Premiere feierte. Was als realistisch inszeniertes Sozialdrama beginnt, kippt zunehmend in ein albtraumhaftes Kammerspiel. Cardona verhandelt in einem geschlossenen Raum gekonnt brandaktuelle Themen: soziale Ungleichheit und kollektive Verdrängung. Sein Hauptaugenmerk aber gilt dem Verhältnis von Fiktion und Realität. Die Grenzen sind fließend. Das großartige Ensemble sorgt für reichlich Thrill: Pio Marmaï, Lucie Zhang, Sofiane Zermani, Maria de Medeiros, Panayotis Pascot gehen lustvoll an ihre Grenzen, angeführt von Joseph Olivennes mit einer besonders kraftvollen Performance.
Grit Dora