TRAILER

Bei uns heißt sie Hanka

Dokumentation, Deutschland 2023, 96 min

Liederliche Kinder wurden in einem bestimmten Teil Deutschlands immer mit dem Satz gemaßregelt, zieh dich gefälligst ordentlich an, wasch dich, und benimm dich…, du läufst ja herum wie eine wend'sche Hanka. Sie haben eine eigene Hymne, eine Flagge und sie könnten theoretisch auch ein eigenes Territorium beanspruchen, gekennzeichnet werden die Straßen in ihren Städten und Dörfern seit vielen Jahren zweisprachig; die Rede ist von den ungefähr sechzigtausend in Deutschland lebenden Sorben. Nicht ganz selbstverständlich sprechen sie heute wieder ihre eigene Sprache und könnten sich auf die Pflege einer eigenständigen Kultur berufen. Sollten sie den Weg zum Europaparlament einschlagen, um die indigene Identität zu bekräftigen. Dass Sprache und Kultur der Wenden und Sorben nach über 1400 Jahren Assimilationsdruck, Verbots oder Totschweigens noch immer vorhanden sind, grenzt schon ein wenig an ein Wunder. Grit Lemkes neuer Dokumentarfilm spürt diesem Wunder nach, porträtiert alte und junge Sorben, traditionelle und moderne, Bauern, Künstlerinnen, Rapper oder Fußballfans. Beschrieben wird vor allem, wie schwer die Traditionen durch die Zeiten geschleppt werden mussten, nicht erst, seitdem die Braunkohle die sorbischen Dörfer fraß. Oder die staatlich genährte Selbstverleugnung selbst innerhalb der Familie funktionierte. Im Mittelpunkt steht Anna Rosina, sowie deren Hochzeit, zufällig auf jenem Hof, wo 1945 die Domowina neu gegründet wurde. Natürlich heiratet sie nicht deutsch, sondern nach den Bräuchen ihrer neuen Familie, die Sprache eignete sie sich spielend an und könnte nun in ihrem Beruf als Juristin auch sorbisch zu Gericht sitzen. Und dann ist da noch Hella, die mit dem „Trachten lüften“ oder dem Kirchgang nix am Hut hat, ihre Demo-Slogans und Protestplakate aber auch nicht in deutscher Sprache verfassen mag. Für sie oder für den Ex-Hooligan Měto passen die Ausgrenzung oder der Nationalismus rechter Parteien nur noch schwer mit den konservativen Traditionen vieler Sorben übereinander. Und ganz sachte, zwischen Wurzeln und Lindenblättern, zwischen Bildern und Zeilen, verwandelt sich auch die Regisseurin wieder in die Gritka von einst.
alpa kino