TRAILER

Happy End

Drama, Frankreich/Deutschland/Österreich 2017, 108 min

Ein klassisches Mehrgenerationenhaus großbürgerlichen Zuschnitts: In einer Villa in Calais lebt Anne (Isabelle Huppert), Chefin der traditionsreichen familieneigenen Baufirma, zusammen mit ihrem als Anwalt tätigen Mann (Toby Jones), ihrem Bruder Thomas, einem Arzt, und dessen neuer Frau samt Baby.
Anne hat ihren Sohn Pierre (Franz Rogowski) in eine leitende Funktion geschoben, die ihn völlig überfordert. Ihren Bruder wiederum überfordern seine innerfamiliären Probleme: Nach dem Suizid seiner Ex-Frau muss er Tochter Eve (Fantine Harduin) aus erster Ehe bei sich aufnehmen, die mit dem Blick der Außenseiterin schnell hinter die brüchige Fassade des Vaters schaut und dessen Doppelleben auf die Schliche kommt. Die pubertierende Dreizehnjährige, die gerade ihre Mutter verloren und ihren Hamster vergiftet hat, scheut sich nicht, die Dreckecken der Familie unumwunden anzusprechen. Vielleicht, weil sie, noch in schuldunfähigem Alter, weit mehr auf sich geladen hat, als auf den ersten Blick erkennbar ist. Georges (Jean-Louis Trintignant) wiederum, der todessehnsüchtige Vater von Anne und Thomas, ist skrupellos genug, das so vorbelastete Mädchen für Sterbehilfe in Erwägung zu ziehen…
Bunuels ironischer Blick auf den „diskreten Charme der Bourgeoisie“ setzt sich auch in Michael Hanekes neuem Film als sehr konkrete, wenn auch diskret ausgeübte Perfidie im großbürgerlich-familiären Miteinander fort.
Haneke spielt in »Happy End« (welch ein schlicht-böser Titel!) mit Selbstzitaten und spinnt die Plots früherer Filme fort. Jean-Louis Trintignant, der als Georges in »Liebe« seiner Frau Anne den Todeswunsch erfüllte, sucht nun als Patriarch Georges einen Menschen, der ihm das gleiche tut - ohne Rücksicht auf die Folgen für die Nachgeborenen. Wie noch stets in Hanekes Filmen spielt die zwischenmenschliche Kälte als fast körperlich greifbares, kompaktes Gebilde auch in diesem Film die eigentliche Hauptrolle. Eher beiläufig bricht die Gegenwart in die Verkrustungen der alten Familie. Calais ist nicht zufällig Schauplatz dieser Momentaufnahme. Die Situation der Migranten und Flüchtlinge wird schlaglichtartig gestreift und im Verhältnis zum marokkanischen Haushälterehepaar zeigt sich mit Hanekeschem Understatement, wie die Kolonialisierung weiterwirkt.
Grit Dora