Julieta

Drama, Spanien 2016, 100 min

Julieta (Emma Suárez, Adriana Ugarte) will mit ihrem Lebensgefährten Lorenzo (Darío Grandinetti) nach Portugal ziehen. Bei einer zufälligen Begegnung hört sie zum ersten Mal seit 13 Jahren wieder etwas von ihrer Tochter. Antía (Blanca Parés, Priscilla Delgado) verließ Julieta an ihrem 18. Geburtstag ohne Abschied. Erneut macht sich Julieta auf die Suche nach ihrem Kind und nach den Antworten auf dieses plötzliche Verlassenwerden. Es geht um über 30 Jahre ihres Lebens. Einschneidender Wendepunkt für beide Frauen war der Tod von Xoan (Daniel Grao), dem Mann und Vater.
Ein größerer Gegensatz ist kaum denkbar: hier Pedro Almodóvar, der bildgewaltige Exzentriker, da Alice Munro, die unsentimentale Skeptikerin. Gemeinsam sind ihnen dann aber doch ihre Obsession für menschliche Abgründe und die Verneinung tröstlicher Gewissheiten. Aus drei Kurzgeschichten der kanadischen Nobelpreisträgerin entwickelt der Spanier einen komplexen Plot, den er schlussendlich doch in seinem Heimatland ansiedelt, obschon er vorhatte, mit »Julieta« seinen ersten englischsprachigen Film zu drehen. Vermutlich eine weise Beschränkung - schwer vorstellbar, dass Almodóvars Herz außerhalb Spaniens wirklich schlägt. Er dämpft seine expressive Bildsprache, um Munros Erzählung mehr Raum zu geben und ist doch ganz er selbst in diesem Melodram über Liebe und Schmerz, Schuld und Versagen. Obwohl der Plot um den Verlust eines Mannes kreist, inszeniert Almodóvar wieder das, was er von jeher am besten kann: Eine Reflexion über die Beziehungen zwischen Frauen. In seinem 21. Film zeigt der Regisseur die Frau als geheimnisvolle Blonde in bester Hitchcock-Tradition - unergründlich nicht nur für ihre Vertrauten sondern auch für sich selbst. Ganz nebenbei feiert er in den Passagen über Julietas Jugend in den 1980er Jahren auch seine eigene. Adriana Ugarte wirkt als junge Julieta im Glam-Rock-Outfit wie eine wilde Mischung aus Tom Hulces Amadeus in Milos Formans Mozart-Biopic von 1984 und dem jungen Almodóvar. Wild, sophisticated, wunderschön!
Grit Dora