Wer hat Angst vor Sibylle Berg?

Dokumentation, Deutschland 2015, 87 min

„Hass ist das Letzte, was jetzt hilft.“ schreibt Sibylle Berg gerade in ihrer SPON-Kolumne und legt noch einmal nach, in Richtung der besorgten Verbohrten: „Wir können Helene Fischer hören, so viel wir wollen: Wir bekommen die alte Welt nicht wieder.“ Gleich möchte man sich den Namen merken, die Frau umarmen und einreihen unter seine Lieblingsmenschen. Aber Vorsicht! Man bekommt es mit einem funkelnden Intellekt und einer mitleidlosen Ironie zu tun. Bei der streitbaren Autorin, Essayistin und Dramatikerin Sibylle Berg handelt es sich um eine kein bisschen leicht fassbare Persönlichkeit. Jede andere hätte wohl in dieses Dokument eine strahlendere Fassung von sich selbst eingebracht, Frau Berg zieht es vor, mit den „Dokuschlampen“ Böller und Brot aka Sigrun Köhler & Wiltrud Baier ein radikales Katz und Maus Spiel aufzuführen. Wenn die beiden Damen schon Bergs kostbare Lebenszeit mit Kamera, Stativ und Mikrofon verpesten, soll der Handel auch etwas einbringen. So ein Doku-Rummel um die eigene Person ist eine gute Gelegenheit, die Klinge zu wetzen. Die Rothaarige mit der scharfen Zunge ist Jahrgang 1962, Kind eines verschollenen Musikprofessors und einer selbstmörderischen Trinkerin. Sie entwich 1984 aus Thüringen per Ausreiseantrag nach Berlin West. Ihre Suche nach dem Glück dauert ein paar Jahre, in denen sie alles tat, um der sprichwörtlichen Prostitution zu entgehen. Putzfrau, Gärtnerin, Artistin. Ihr gelang es, dem Kapitalismus von der Schippe zu springen. Sie begann zu schreiben und überlebte. Bergs erste Farce: »Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot«. Noch nicht ahnend, wie (überlebens-)wichtig ihr Zynismus und ihr spitzer Stift in dieser Gesellschaft noch werden würden, begannen die denkbaren Lebenswege frühzeitig auseinander zu driften. Hier die stromlinienglatten Athleten, gebotoxt und gedopt, dort die quertreibenden Kompromisslosen, verletzlich aber ehrlich. Und während das triste Nichts die Tage frisst, stellt sich nur die eine Frage: Will man glücklich sein oder erfolgreich? Beides geht nur mit Selbstbetrug.
alpa kino

Buch: Böller & Brot - Wiltrud Baier, Sigrun Köhler

Regie: Böller & Brot - Wiltrud Baier, Sigrun Köhler

Darsteller: Sibylle Berg

Kamera: Wiltrud Baier, Sigrun Köhler

Produktion: Böller und Brot

Bundesstart: 28.04.2016

Start in Dresden: 28.04.2016

FSK: o.A.