Die Zeit die bleibt

Drama, Frankreich 2005, 81 min

Was wir besitzen, begreifen wir erst, wenn wir es verlieren. Dieser Allerweltsweisheit wird sich Romain (Melvil Poupaud) bewusst, als ihm die Diagnose über einen bösartigen Gehirntumor gestellt wird. Nicht fünfzig, nicht fünfzehn und auch nicht fünf Prozent Heilungschancen will ihm der behandelnde Arzt geben. Kein Wunder also, wenn der junge Szenefotograf die ihm angebotene Chemotherapie ausschlägt. Weil die dünnen Bande zu seiner Familie oder die nicht mehr ganz so frische Beziehung zu Sasha nicht auszureichen scheinen, ihn ans Leben zu fesseln. Weil er mit seiner Schwester nichts anfangen kann außer Streit und weil es der Mutter mit ihm ebenso geht. Einzig Romains Vater, der zwar auch über seine Gefühle aus Gewohnheit schweigt, hält eine Art intimer Kommunikation mit dem Sohn aufrecht. Letztlich erfahren nur drei Menschen von dem bevorstehenden Ende seines Lebens. Romains Großmutter (Oh, welche Anmut einer 78jährigen Jeanne Moreau) wohnt am Meer und ist eine Frau, die Romain sofort geheiratet haben würde, wäre er ihr eher begegnet. Die beiden verbindet offenbar nicht nur die Erinnerung an seine unbeschwerte Kindheit, nein, das Wesentliche besteht in der Zeit, die ihnen beiden noch bleibt, „Du bist wie ich. Du wirst bald sterben“, erklärt der junge Mann seiner Großmutter. Auf dem Rückweg nach Paris trifft Romain auch die junge Kellnerin wieder und bekommt von ihr ein seltsames Angebot; „Voulez vous couchez avec moi“. Also, ich kenne mindestens drei Leute (mich eingeschlossen), die Valeria Bruni-Tedeschis Angebot auf der Stelle angenommen hätten. Nicht so Romain, er ist noch nicht ganz so weit, denn er mag keine Kinder. Dabei sollte er ja nur dem jungen Glück (Kellnerin und deren Mann) zu einem Baby verhelfen, weil der Mann doch unfruchtbar ist…
Bevor die Geschichte im Meer untergeht, sous le sable, gewissermaßen, und der Ozon’sche Strand abermals zum Ort der letzten Waschung und Totenbett wird, bleibt Romain noch ein wenig Zeit, Dinge zu ordnen, ihnen noch schnell eine andere Richtung zu geben. Zum ersten Mal, vielleicht. Auf jeden Fall zum letzten Mal.