Still

Dokumentation, Deutschland 2013, 80 min

Zehn Jahre begleitet die Kamera die selbstbewusste Bauerntochter Uschi, die sich auf der einsamen Alm wesentlich freier fühlt als im elterlichen Hof. Dort wird sie freilich dringend gebraucht. Soll die junge Frau den kaum rentablen Milch-Betrieb übernehmen? Alte Familientradition oder neue Selbstverwirklichung? Der Dokumentarfilm überzeugt durch eine angenehm zurückhaltende, unaufgeregte Erzählweise, bestechend schöne Schwarzweiß-Bilder sowie eine ebenso spannende wie sympathische Hauptfigur.
„Alm ist wie eine Sucht“ schwärmt die 22-jährige Bauerntochter Uschi zu Beginn. „Die spinnt“, meint Mutter Rosi, die den Freiheitsdrang der selbstbewussten Tochter skeptisch sieht. Auf dem elterlichen Hof im bayrischen Oberland mit seinen 20 Kühen wird jede Hand dringend gebraucht. Vater Stefan würde mit seinen über 60 Jahren den Betrieb gern alsbald an die nächste Generation übergeben, aber „die Uschi“, so sagt er gleichmütig, „die ist noch nicht so weit.“ Die junge Frau hatte eben schon immer ihren eigenen Kopf, hat als Kellnerin und Gärtnerin gearbeitet oder bereiste Neuseeland, Thailand und Südamerika. „Ich hab' eigentlich immer gemacht, was ich machen wollte“, erzählt sie, ohne dass es besonders stolz klingt. Mit ein paar Kühnen und ihrer Ziege macht sie sich auf den Weg in die Berge, wo sie auf einer Hütte den Sommer als Sennerin verbringen wird. „Weiberwirtschaft“ sagt Uschi dazu lachend und berichtet zwischen Melkschemel und Butterfass davon, wie reizvoll in dieser Abgeschiedenheit die große Stille und die Nähe zu den Tieren sei. Die hübsche Idylle hat indes auch manche Kehrseiten: vom strömenden Regen über entlaufene oder kranke Kühe bis zum täglichen Stallmisten. „Man muss schon etwas robust sein“, meint die Bäuerin lakonisch über ihren Beruf.
Im Winter setzt Regisseur Matti Bauer seinen Film fort. Uschi ist zurück auf dem elterlichen Hof und mittlerweile schwanger. Vom Vater des Kindes erfährt man nichts, dabei wünscht sich Altbäuerin Rosi sehnlichst einen passenden Schwiegersohn und träumt vom verdienten Ruhestand. „Endlich einmal machen, was ich möchte und nicht, was ich müssen muss“, beschreibt sie ihre Stimmung. Zwei Jahre später, bei einem abermaligen Besuch, fragt sie der Filmemacher, ob sie in ihrem Leben etwas anders machen würde? „Alles!“, antwortet Rosi ohne Zögern, „weil es mir nicht gefallen hat. Aber unglücklich bin ich nicht.“ Man glaubt ihr beides gleichermaßen.
Momente wie diese sind typisch für dieses Porträt, das ebenso sensibel wie schnörkellos seine drei Akteure auf Augenhöhe zu Wort kommen lässt: teilnehmende Beobachtung der gelungenen Art, die sich auf wahrhaftige Weise ihren Subjekten nähert. Mit diesem Konzept kann der studierte Völkerkundler Matti Bauer auf geschwätzige Kommentare ebenso gut verzichten wie auf manipulative Musik.

Regie: Matti Bauer

Kamera: Klaus Lautenbacher

Produktion: Milli & Kas, Tangram, Matti Bauer, Christian Bauer, Dagmar Biller

Bundesstart: 19.06.2014

Start in Dresden: 19.06.2014