Zeit der Kannibalen

Komödie, Deutschland 2014, 97 min

Was für eine geniale Idee - oder war es einfach das knappe Budget? Ein „Draußen“ wie eine Theaterkulisse: Würfelförmige, graue Häuser, schmutzige Luft und eine stumpfe Sonne, aber nichts Lebendiges. Diese Außenwelt heißt wahlweise Nigeria oder Indien, es könnte auch Russland oder Australien sein. Der Film spielt aber nur im „Drinnen“ in zwei bis drei Hotelzimmern in verschiedenen Ländern. Drei Unternehmensberater sitzen dort und ruinieren das Leben von Menschen, über deren Schicksale sie skrupellos entscheiden. Nach draußen gehen sie nicht: Nur kurz dort die Luft zu atmen, sei wie 30 Tage Dauerrauchen, bemerkt einer von ihnen.
Kai Niederländer (Sebastian Blomberg) und Frank Öllers (Devid Striesow) sind seit Jahren ein Team. Als ihr Rivale Hellinger zum Partner befördert wird, sind beide empört. Die neue Kollegin Bianca März (Katharina Schüttler) wird von ihnen entsprechend argwöhnisch empfangen. Sie scheint ehrgeizig und gleichzeitig von naivem Idealismus getrieben. Während die drei in einem Hotel in Lagos sitzen und Termine wahrnehmen, erfahren sie, dass sich Hellinger umgebracht hat und ihre „Company“ verkauft werden soll. Während sie fieberhaft überlegen, wie sie reagieren und handeln sollen, wird das Hotel von militanten Islamisten besetzt.
Die drei Hauptdarsteller tragen den kammerspielartigen Film, der fast komplett ohne Musik auskommt: Die beiden Männer haben diverse Marotten, und vor allem Öllers ist ziemlich unberechenbar. Devid Striesow spielt gekonnt nah am Wahnsinn. Regelmäßig regt er sich in Telefonaten mit seiner Frau übertrieben auf, ist danach aber wieder ganz kontrolliert und professionell. Die Figur der Bianca - den Männern gleichwertig an die Seite gestellt und nicht nur weibliches Dekor - ist weniger wahnsinnig, dafür ist ihre Rolle undurchschaubarer, sowohl für die beiden Kollegen als auch für Zuschauende. Jede Person hat auch unerwartete und sogar liebenswerte Seiten, mit denen sich die Protagonisten bisweilen gegenseitig überraschen (als es um Menschen „aus der Zone“ geht: „Ich bin aus Erfurt.“ - „Warum hast du das nie gesagt?“ - „Ich wusste nicht, dass es eine Meldepflicht gibt“).
Dem Regisseur Johannes Naber (»Der Albaner«) ist mit »Zeit der Kannibalen« eine groteske Komödie gelungen. Er überzieht, wo es nur geht, ohne in die Klamotte abzugleiten. Nicht zuletzt das konsequente Ende sorgt für 85 Minuten bester Unterhaltung mit einem sehr tragischen Einschlag.
Petra Wille

Buch: Stefan Weigl

Regie: Johannes Naber

Darsteller: Devid Striesow, Sebastian Blomberg, Katharina Schüttler, Jaymes E. Butler, Florence Kasumba, Carlos Lobo

Kamera: Pascal Schmit

Produktion: studio.tv.film, WDR, Arte, BR, Milena Maitz, Andrea Hanke, Georg Steinert, Cornelius Conrad

Bundesstart: 22.05.2014

Start in Dresden: 22.05.2014

FSK: ab 12 Jahren