Über-Ich und Du

Drama/Komödie, Deutschland/Schweiz/Österreich 2014, 94 min

Benjamin Heisenberg hat eine Komödie gemacht. Das ist nach den Vorgängerfilmen »Schläfer« und »Der Räuber« schon ein bisschen überraschend, hatten beide doch keinerlei Anklänge an das Komische oder gar Komödiantische. Heisenberg wird zur Stilrichtung der „Berliner Schule“ gezählt, gibt mit Christoph Hochhäusler und ein paar anderen „Revolver, Zeitschrift für Film“ heraus und sagt: „»Schläfer« war schon als Komödie gedacht, bis ich drauf kam, dass es doch eine bessere Tragödie wäre.“
»Über-Ich und Du« ist wirklich sehr, sehr witzig. Das beginnt mit einem streitbaren Dialog von Menschen, die über dem Ort der Handlung zu schweben scheinen - kurz darauf sind Heißluftballons zu sehen, die für die Handlung jedoch weiter keine Rolle spielen. Im Mittelpunkt stehen der betagte Psychologe Curt Ledig (André Wilms) und der Bücherdieb Nick Gutlicht (Georg Friedrich). Der eine will in Ruhe und ohne Störungen durch seine lästige Familie an einem Vortrag über seine eigene Rolle in der Nazizeit arbeiten. Der andere nutzt das Angebot, auf das Haus mitsamt Altem aufzupassen - er muss nämlich untertauchen: Nick wird von einer Unterweltchefin namens „Mutter“ (Maria Hofstätter) gesucht. Er hat Schulden und blickt sich im Haus von Curt sehr interessiert um, da er in den Regalen die Lösung seiner finanziellen Probleme wittert, unter anderem den „Ferrari unter den Platon-Übersetzungen“. Curt wiederum entdeckt in Nick ein interessantes Forschungsobjekt.
Was nun folgt, ist nicht nur ein Buddymovie mit zwei grundverschiedenen Charakteren - genauso ist »Über-Ich und Du« eine ironisch-witzige Verneigung vor der Psychoanalyse und eine Annäherung an den Umgang mit der deutschen Vergangenheit: schuldbehaftetes Erinnern oder jung und vorwärtsgerichtet? Die Verschiedenheit findet sich schon in der Auswahl der beiden Darsteller: Am bekanntesten ist der stets vornehm wirkende André Wilms, Jahrgang 1947. Am bekanntesten ist er vielleicht durch die Filme von Aki Kaurismäki, darunter »Das Leben der Bohème« und »Le Havre«. Außerdem spielte er unter François Ozon, Claude Chabrol und Patrice Leconte. Georg Friedrich begann seine Karriere in dem österreichischen Kultfilm »Müllers Büro« und bereicherte seitdem unzählige deutsche und österreichische Produktionen wie zum Beispiel »Contact High«, »Silentium« und »Über uns das All«. Er ist voller Energie, irgendwie unruhig und mit Sicherheit nicht „vornehm“ - ein perfekter Gegenpart zu Wilms in dieser kurzweiligen und gleichzeitig intellektuell fordernden Komödie.
Petra Wille