TRAILER

Systemsprenger

Drama, Deutschland 2019, 125 min

Drei Wochen 1:1-Betreuung im Wald - ein Anti-Aggressionstraining, eigentlich für auffällige Jugendliche gedacht. In diesem Fall ist es die beinahe letzte Idee vor der dauerhaften Unterbringung eines neunjährigen Mädchens in der geschlossenen Abteilung einer Psychiatrie. Benni ist ein „Systemsprenger, so der Fachjargon des Jugendamtes: Voller unbändiger Energie, brutal, wütend, unkontrollierbar. Ein um sich tretender Hilfeschrei. Sie hat schon Klinikaufenthalte, Pflegefamilien, Wohngruppen hinter sich. Fliegt immer wieder raus. Will heim zu ihrer Familie, der Mutter, den kleineren Geschwistern. Ein Rückweg, der versperrt ist, die Mutter hat Angst vor Bennis sozialer Sprengkraft und traut sich eh nichts zu. Im Hintergrund hält sich ein gewalttätiger Freund auf, Bildfetzen aus Bennis Albträumen, kurze Rückblenden legen eine atmosphärisch dichte Spur in die Vergangenheit. Der Fokus aber liegt auf der Gegenwart. Micha, der Anti-Gewalttrainer engagiert sich und verliert dabei fast die Distanz, die Sozialarbeiterin Frau Bafané sucht immer wieder einen neuen Weg, Ärzte, Erzieher, alle sind guten Willens, wollen nicht das Handtuch werfen. Trotzdem findet sich kein dauerhafter Platz für Benni, kein Ausgang, kein Zuhause. Regisseurin Nora Fingscheidt ist mit ihrem Spielfilmdebüt ein großer Wurf gelungen. Sie findet starke virtuose Bilder für Bennis inneres Drama. Am ehesten lässt sich die beklemmende Wucht von »Systemsprenger« mit Sean Bakers herausragendem »The Florida Project« (2018) vergleichen. Eine Fürsprache für die nicht Konformen - mit der nötigen ästhetischen Zugkraft für die große Leinwand. Zurecht auf der Berlinale ausgezeichnet. Helena Zengel spielt kraftvoll und authentisch Benni und hat die wunderbare Gabriela Maria Schmeide als Sozialarbeiterin an ihrer Seite.
Grit Dora