20. August 2019

Interessantes historisches Filmexperiment

»Schattenstunde« im Format 1:1 abgedreht
Interessantes historisches Filmexperiment

In Speyer fiel die letzte Klappe zu dem Film über Jochen Klepper von Benjamin Martins

Nach 11 Drehtagen fiel in Speyer Mitte August die letzte Klappe zu Benjamin Martins Langfilmdebüt »Schattenstunde«. Der Kinofilm ist eine filmische Aufarbeitung der Tagebucheinträge Jochen Kleppers, die einen tiefen Einblick in eine dunkle Epoche geben. Der Kinostart ist für 2020  geplant.

Der Film erzählt über die letzten gemeinsamen Stunden Jochen Kleppers und seiner Familie. Eichmann lehnte am 10. Dezember 1942 den Ausreiseantrag für Johanna Klepper und deren Tochter Renate ab. In derselben Nacht schied Familie Klepper aus dem Leben.  

Dem Publikum von »Schattenstunde« bietet sich ein sehr ungewöhnliches Kinoerlebnis. Jochen Kleppers Leben wurde durch die Nationalsozialisten im ehemaligen Dritten Reich immer weiter eingeschränkt. Symbolisch gibt Regisseur Benjamin Martins diese Enge an das Publikum weiter, indem er das Blickfeld der Zuschauer ebenfalls einschränkt. So wird der Film in den Kinos als Quadrat zu sehen sein. 

Jochen Klepper (* März 1903) lebte als christlicher Schriftsteller, Journalist und Dichter mit seiner jüdischen Frau Johanna und seiner ebenfalls jüdischen Stieftochter Renate in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Seine Werke prägen bis heute die deutsche Literaturlandschaft. Ende 1942 scheiterte die Ausreise von Frau und Stieftochter aus dem ehemaligen Deutschen Reich und die Deportation der weiblichen Familienmitglieder stand kurz bevor. Von Adolf Eichmann vor die Goebbelsche Alternative gestellt, Beruf oder Ehe, traf Jochen Klepper eine unerhörte Entscheidung. Eine Entscheidung, die mit ihm tausende Deutsche in Mischehe getroffen haben. So leise, dass selbst heute nur wenige davon gehört haben. 

Hildegard Klepper, die Schwester Jochen Kleppers, veröffentlichte nach Kriegsende die Tagebücher ihres Bruders. Die intimen Aufzeichnungen von 1932 bis 1942 berichten von Menschen und Orten, offenbaren Erreichtes und Erlittenes und erzählen von stillen Gesten und Gedanken. Der Leser erfährt von Jochen Kleppers Kampf gegen die eigenen Geister und  gegen das Regime. Unzähligen Familien in „Mischehe“ standen Zwangsscheidungen und Deportationen bevor. Schließlich griffen jüdische Selbstmorde wie ein Lauffeuer in ganz Deutschland um sich. Am Ende blieb ihnen nur  das „Wir“ der letzten freien Stunden am Ufer des dunklen Flusses, in den sie alle gemeinsam stiegen.

 

Foto: Dirk Waanders als Adolf Eichmann, im Anschnitt Christoph Kaiser als Jochen Klepper, gedreht im „quadratischen Format“ / © Herbsthund Filme