6. Oktober 2022

Die Känguru-Verschwörung, Kritik, Pro & Contra

Funktioniert das über weite Strecken erstaunlich gut oder wird gar ein absoluter Känguru-Fan zum Kritiker?
Die Känguru-Verschwörung, Kritik, Pro & Contra
Das funktioniert über weite Strecken erstaunlich gut, weil Kling die lose Aneinanderreihung von Gags, die den Charme der Vorlage ausmacht, auch in den Film übernimmt. Oder doch nicht?


Pro

Seit Jahrhunderten ziehen im Geheimen Kängurus die Fäden… Ernsthaft, Alter? Nee, nee! Nicht so ganz. Obwohl das Känguru die eingefahrenen Kräfteverhältnisse auf dem Planeten drastisch verändert mit seiner innovativen Erfindung des „Open Schnick“. Die hilft aber nicht zwingend gegen betonierte Querdenkerei.

Nochmal von vorn: Der mostly unterspannte Kleinkünstler Marc-Uwe ist mit seinem, ähhhmm, Haustier zurück, und wenn die beiden auch diesmal nicht die Welt retten, so doch immerhin eine Seele vor dem endgültigen Versacken im verschwörungstheoretischen Flachsumpf. Denn der kulleräugige Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) schließt verzweifelt eine Wette mit seiner in Herzensbelangen wankelmütigen Nachbarin Maria (Rosalie Thomass): Entweder holt er ihre Mutter aus dem Spinnennetz des Verschwörungsgurus Adam Krieger (blauäugiger als jemals zuvor: Benno Fürmann) und bekommt eine zweite Chance bei Maria, oder Maria zieht um: in Marc-Uwes günstige große Wohnung. Der müsste dann in ihre winzige Butze wechseln und mit dem Känguru ein Stockbett teilen: Höchststrafe! Komplizierte Aufgabe also, und dummerweise kommt auch noch legendary Joe (Michael Ostrowski) zurück, Marias unfassbar beliebter und großzügiger Exlover. Der spuckt aber niemandem in die Suppe, zu groß ist sein Standing, sondern teilt mit Marc-Uwe die Hütte und sein Bienenauto. Wenn was zu Bruch geht, auch nicht schlimm. Joe ist ja versichert und seine Airbags dürfen sich ungestört Luft machen.

Nach Dani Levys leicht desaströser»Känguru-Chroniken«-Verfilmung von 2020 mit ungut flacher Rahmenhandlung (Drehbuch: Marc-Uwe Kling), hat der Autor »Die Känguru-Verschwörung« nun ganz alleine in die Hand genommen und selber Regie geführt. Das funktioniert über weite Strecken erstaunlich gut, weil Kling die lose Aneinanderreihung von Gags, die den Charme der Vorlage ausmacht, auch in den Film übernimmt und diesmal der Versuchung widersteht, sie mit einem aufgepfropften Plot zusammen zu pappen.

Kurz zusammengefasst: Umfassende kindliche Spielfreude, gepaart mit profunder Allgemeinbildung in Sachen Geschichte schlägt allemal dröge vor sich hinknödelnde Verschwörungsdumpfheit. Knapp ist die Sache aber schon und gefährlich sind die Leute allemal. Die vielen anarchistischen, mitunter vorherseh- aber überwiegend doch unberechenbaren Witzkaskaden von flach bis High End verharmlosen nicht die dumpfe Framing-Front von Diesel Liesel (wunderbar Petra Kleinert als Liesel Schlabotnik) und Co.

Wer das Känguru nicht kennt, wird’s wahrscheinlich genauso schwer haben, wie beinharte auf Bühne und Hörbuch eingeschworene Kling-Fans. Visualisierung tötet halt immer die eigenen Tiere im Kopf. Vielleicht versöhnt sie aber der großartige Soundtrack von Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi, das kongeniale Maskenbild von Susann Kotte-Opitz und die für hiesige Verhältnisse unfassbar perfekte Mocap-Anwendung (Dietrich Hasse) für das Känguru, dem Volker Zack einmal mehr seine phantastische Beweglichkeit verliehen hat. Schade, dass die Deutsche Filmakademie nicht den Goldenen Greenscreen verleiht, der wäre jetzt eigentlich mal fällig. Darauf ein paar edle Tropfen in Nuss!

Grit Dora


Contra

Vom absoluten Känguru-Fan zum Kritiker und zurück.
Ich erinnere mich nicht mehr ganz genau, wann ich das erste Mal vom „Känguru“ hörte, schätzungsweise Mitte 2009 im Radio, in der Sendung „Querköpfe“. Eine Weile später borgte uns eine Freundin die CD mit dem ersten Hörbuch, und – was soll ich sagen – wir saßen zu viert am Küchentisch, spielten Karten und konnten nicht mehr vor Lachen. So herzhaft, so befreiend – phantastisch. Natürlich waren dann alle weiteren Bücher und CDs ein must-have, illustriert von youtube-Clips, Comics und anderen Werken von Marc Uwe Kling, der ja auch Musik macht und z.B. Kinderbücher schreibt.

Zwar hatte ich noch nicht das Vergnügen, ihn persönlich kennenzulernen, doch durfte ich ein wenig hinter die Kulissen seines Schaffens schauen. Unvergesslich ist mir auch eine Lesung in der SCHAUBURG mit den Freunden / Kollegen Julius Fischer, Sebastian Lehmann & Maik Martschinkowsky, die ebenfalls ganz starke Texte zum besten gaben; S. Lehmann u.a.: „Schreib doch auch mal was mit einem niedlichen Haustier wie dein Künstlerfreund, mit einem Rhinozeros vielleicht. Aber Mama, Ich wollte dir eigentlich sagen, ICH habe alle Prüfungen bestanden und mein Studium erfolgreich abgeschlossen.“

Ja, ja, das Künstlerdasein – tausende strampeln sich ab und nur eine(r) schafft auch den kommerziellen Durchbruch, was noch gar nichts über die künstlerische Qualität aussagt, die natürlich in der gesamten Känguru-Tetralogie absolut gegeben ist. Von der Ägyptologie über Franz Kafka bis zur aktuellen Politik, beim Känguru ist alles vertreten, wird zitiert, richtig oder bewusst falsch zugeordnet oder durch den Kakao gezogen, Karl Marx nicht zu vergessen. Da merkt man Kling sein Philosophiestudium an, egal ob nun mit oder ohne Abschluss. So gekonnt vielfältig Marc Uwe auch unterwegs ist, letztendlich möchte ich ihm zurufen: Schuster bleib bei deinen Leisten!

Nachdem der Kinostart des ersten Films CORONA-bedingt gehörig schiefgegangen ist – eine Million Besucher waren greifbar, dann kam der erste Lockdown im März 2020 – habe ich die Gelegenheit Ende August genutzt, mir beide Teile im Doppelpack anzuschauen. Dabei treten die Unterschiede scharf zutage. Auch wenn das erste Drehbuch eine schwierige Geburt war, letztlich ist es gelungen, eine neue Geschichte zu kreiéren, die überzeugt, viele bekannte Gags aufgreift und von Dani Levy hervorragend umgesetzt wurde – hier muss ich meine Vorrednerin entschieden widersprechen. Und im zweiten Teil? 75% Enttäuschung. Dass es die Stadt Bielefeld nicht wirklich gibt, ist ein Spaß am Rande, aber das trägt doch keinen Film! Auch nicht, wenn Krapotke die Draisine ins Niemansland fährt und noch so viele Liegestütze schafft. Da wirkt das rettende Bienen-Auto nur noch peinlich. So amüsant & richtig, es ist, sich über die Schwurbler lustig zu machen – Tumor ist, wenn man trotzdem lacht – es funktioniert hier nicht wirklich gut. Dann doch lieber der Grundregel des Boxklubs folgen: „Schlag sie, wenn ihr sie trefft“, denn eine logische und flüssige Geschichte mag sich nicht recht entwickeln.

Nun denn, jetzt wo HBO den Weg wieder frei gemacht hat, bleibt wohl nur, auf die Verfilmung von Klings Nachfolgeroman »Qualityland« zu warten.
Aber Marc Uwe, bitte mach’s nicht wieder selbst, du bist ein genialer Autor und das Känguru bzw. PINK sein Nachfolger werden bestimmt von keinem besser eingesprochen als von dir, doch es gibt in Deutschland hervorragende Regisseure, dir stehen alle Wege offen.

Shunya

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