24. März 2020

Tschüssikowski Immobilienhai!

Die »Känguru-Chroniken« im Kino und auch wieder nicht im Kino
Tschüssikowski Immobilienhai!

Neulich in der Schauburg, fünf Minuten vor Corona die halbe Treppe hoch hetzen mit der zehnjährigen Tochter im Schlepptau am letzten Tag der offenen Kinos. Etwa 30 Leute sitzen im Leone-Saal, davon vielleicht ein Drittel Kinder, die allermeisten ersichtlich Marc Uwe Kling-Fans. Zu Hause geblieben ist mit dem fünfzehnjährigen Sohn und Bruder ausgerechnet derjenige, der uns vor fünf Jahren an das Känguru herangeführt und durch Kling seine politische Bildung erfahren hat. Eine Sache, für die ich dem „unterambitionierten Kleinkünstler“ unendlich dankbar bin, weil mein großer Jung so Humor, Empathie und Gesellschaftskritik als kompaktes Paket mitbekommen hat. Nur lehnt er leider die Verfilmung der kultisch verehrten Chroniken ungesehen ab, er hält das ganze für ein Sakrileg, obwohl der Autor höchstselbst das Drehbuch geschrieben hat. Ach, diese pubertäre Konsequenz, wie bedauerlich, aber jetzt Film ab. Nach einem streitbaren Prolog zwischen dem Känguru und seinem Schöpfer läuft das klassische Intro: „Ich wollte grade Eierkuchen backen und da ist mir aufgefallen, dass ich vergessen habe, Eier zu kaufen.“
Die Tochter grinst.

Marc Uwe Kling hat um seine Beuteltier-Gassenhauer eine sparsame Handlung gehäkelt, es geht um den dingspopulistischen Immobilienhai Dwigs (Henry Hübchen), den der Film Marc-Uwe (schön lethargisch: Dimitrij Schaad) und sein autonomes Haustier in die Schranken weisen, unterstützt von den üblichen Verdächtigen Maria, Herta („Du glaubst vielleicht, du bist hart, aber ich bin Herta!“, Friedrich-Wilhelm und Otto von.

In der Haut des Teutelbiers (nicht wörtlich nehmen) soll übrigens the one-and-only Zack (der eingeweihten Dresdnern wohlbekannte Volker Michalowski) stecken. Damit man ihn auch in originaler Pracht genießen kann, hat er noch einen schönen kleinen, verschwörungstheoretischen Auftritt auf der Party des leider knallchargenhaften Dwigs.

Am besten ist die Verfilmung immer dann, wenn sie nah am originalen Wortwitz bleibt, besonders Carmen Maja-Antoni und Rosalie Thomass treffen mit ihrem knappen, präzisen Spiel den Ton. 

Henry Hübchen und Bettina Lamprecht haben es da ungleich schwerer, weil sie den Episodenkitt-Job innehaben und das viel zu klischeebeladene Populistenpärchen verkörpern müssen. Fast verzweifelt versuchen sie, ihre zu dick auftragenden Kostüme und Maske durch breites Chargieren zu füllen. So wird Klings Leichtigkeit und Treffsicherheit teilweise ziemlich platt gemacht. Das tut besonders weh, wenn man auf den großen Henry Hübchen schaut, der gar nicht zu differenziertem Spiel findet. Schade, aber es gibt ja noch die andere Spur mit den klassischen Kling-Sprüchen („Ein Idiot in Uniform ist immer noch ein Idiot“ ) und dem angstfreien Umgang mit Redewendungen wie „Stück ma rück!“ und „Tschüssikowski!“. Ach, und Jesus leiht Marc-Uwe seine Eier. Prima Nachbarschaftshilfe. 

Damit kriegt Kling sie alle, die Adepten ebenso wie die Neuzugänge. Es ist also nur ein bisschen doof, dass Regisseur Dani Levy und sein prominenter Drehbuchautor nicht komplett der Kraft der Kling-Diamanten vertraut haben. Vielleicht war da auch einfach ganz viel Lust auf Schmierenkomödie und Auf-die-Kacke hauen. Das geht dann auch in Ordnung. 

Fazit: (so lange die Kinos halt zu sind): Wer Marc-Uwe Klings Gesammelte Werke noch nicht im Home Office hat, sollte jetzt mal schnell in die Gänge kommen.

Ich geh inzwischen mal den Fruchtzwerg sichern, den Fluchtweg mein ich.


Grit Dora

https://www.x-verleih.de/filme/die-kaenguru-chroniken/