17. Juni 2019

Nachbildwirkung eines Familienthemas

Über ein französisches Familienprobleme, die auch unseres sein kann.
Nachbildwirkung eines Familienthemas

Der Kinosaal war nicht besonders voll, das Thema scheinbar nicht verlockend trotz eines grandiosen Castes  - so etwa Vanessa Paradis als goldene Statue und überforderte Mutter endlich mal wieder auf der Leinwand. In der Tragikomödie »Das Familienfoto« ist eine demente Großmutter der Familienmittelpunkt, verhandelt wird der Konflikt, der sich aus ihrer Pflegebedürftigkeit ergibt. Die Kinder, die Enkelkinder und die Urenkel – alle sind mit sich beschäftigt, die Probleme der einzelnen Familienmitglieder sind vielfältig, zeitgemäß und ganz und gar alltäglich.

Glamourös ist nicht mal die billige Goldschmiere auf Paradis’ Haut. Der Kampf um Mamies würdevollen Lebensabend (was für ein blöder euphemistischer Begriff) spitzt vorhandene Konflikte zu, die Überforderung ist groß. Die starke familiäre Nähe macht, dass jeder die wunden Punkte der Anderen gut genug kennt, um fröhlich drauflos zu triggern, andererseits gibt es jede Menge Leerstellen und Unkenntnis, so dass auch stets vorhandenes Ringen umeinander oft ins Leere läuft. Aber ist immer da. Viel hilfloses Bemühen also, viel Gerede außen rum, auch direkte verbale Hopser mitten in den heißen Brei, aber wenig Klärung. Und am Ende ist die Oma tot. Das klingt alles nicht irre spannend, nach dem Abspann fragt man sich, was da wohl haften bleibt, aber am Tag danach weiß man es. Bei einem Kaffee im Park des nächstgelegenen Altersheimes findet der Realitätscheck statt. So sehen die Alten Dresdens aus, so ihre Kinder. Angesichts dessen gibt es ein klares Pro für Cecilia Rouauds dichte Story zu einem Familienthema, das alle angeht.

Nur der versöhnliche Schluss verstimmt ein wenig, weil er sich vom Alltag zu sehr entfernt. Wäre ein Dokumentarfilm über Menschen in Altersheimen nicht die bessere Idee gewesen? Tatsache ist, dass momentan eher Filme mit rüstigen Seniorinnen und Senioren Hochkonjunktur haben, Aufbrüche aus zementierten Verhältnissen mit 60 +, oder auch deutlich älter, da sich der Renteneintritt ja stark nach hinten schiebt. Beglückende Neuentdeckungen von Möglichkeiten, die Wiederentdeckung des Ichs im letzten Lebensdrittel. Diese Filme zeigen traumschöne Ausnahmen oder Visionen mit der Lizenz zum Mut machen, die scheinbar für die Leinwand taugen, weil sie größtmögliche Distanz zum Alltag haben. 

»Das Familienfoto« hingegen baut die Brücke zwischen idealisiertem Altern und knochenharter Dokurealität und hat Potential, für ein Thema zu sensibilisieren, mit dem man sich im Laufe eines Lebens in  unterschiedlichen Konstellationen immer wieder auseinandersetzen muss. Insofern ist der Film ein niedrigschwelliges Angebot zum Angstabbau. Und Spaß macht er auch noch. Vanessa Paradis, Camille Cottin und Pierre Deladonchamps ergänzen sich fantastisch als die drei superneurotischen Geschwister, die das Alt68ertum ihrer Eltern schlecht weggesteckt haben. Kleine Seitenhiebe auf diese Generation sind auch immer wieder sehr beglückend.

https://dasfamilienfoto.de