4. Dezember 2018

Film für Fans oder eher Hollywood-Manier?

Kritik, Pro & Contra – Bohemian Rhapsody
Film für Fans oder eher Hollywood-Manier?

Eine der erfolgreichsten Bands aller Zeiten hat nun endlich einen eigenen Film bekommen. In der Redaktion des Kinokalenders Dresden wird dies unterschiedlich aufgenommen.

Alles sehr verschämt, bieder und abwaschbar. Auch wenn Malek durchaus gekonnt den Freddie gibt, ist es kein großer Film oder ist er doch durchaus gekonnt und nachvollziehbar?

 

Semi-Pro:

Es ist schon »A Kind of Magic«, dass dieser Film existiert: Angekündigt 2010, sollte zunächst ein gewisser Sacha Baron Cohen, der Schauspieler hinter den Kunstfiguren Borat und Ali G, die Hauptrolle übernehmen und Freddie Mercury verkörpern. Drei Jahre später verließ er das Projekt jedoch aufgrund »kreativer Differenzen«. 2016 ging es dann endlich wieder vorwärts, mit neuem Skript, neuem Hauptdarsteller – Rami Malek – sowie neuem Regisseur. Tja, denkste! Denn Bryan Singer, Hollywood-Profi und Schöpfer von Kassenschlagern wie »Die üblichen Verdächtigen«, »X-Men« und »Operation Walküre« blieb dem Set eines Tages einfach fern – und »Bohemian Rhapsody« stand mitten in den Dreharbeiten abermals vor dem Aus. Zu Ende gefilmt hat ihn dann der Brite Dexter Fletcher (»Eddie the Eagle«), dessen Name im Abspann aufgrund rechtlicher Vereinbarungen aber nur bei den Produzenten auftaucht. Was’n Chaos!

 

Umso erstaunlicher, wie gut die Queen-Bandbiografie schlussendlich geworden ist. Oder ist es doch eher ein Porträt von Mr. Mercury, der zufällig in einer bekannten Musikkappelle mitwirkte? Der Film erweckt jedenfalls den Eindruck, dass die drei anderen überaus talentierten Kompagnons ohne ihren charismatischen Sänger keine Chance im Business gehabt hätten. Das ist insofern inkorrekt, da Brian May, Roger Taylor und John Deacon für einige der beliebtesten Queen-Songs Verantwortung tragen. Aber was sind schon Melodie und Texte ohne eine Stimme und eine Bühnensau, der sie zum Leben erweckt? Auftritt Rami Malek, dem blassen Hacker aus der Erfolgsserie »Mr. Robot«, der in der Rolle des Freddie M. wahrscheinlich seinen Zenit als Schauspieler bereits erreicht hat.

 

Es ist schlicht gigantisch, was der 37-Jährige hier abliefert: Körpersprache, Bewegungen, Aussehen – es scheint, als sei der Queen-Sänger wieder auferstanden. Und damit dieses schöne Gefühl beim Zuschauer erhalten bleibt, behält der Film Freddies finale Jahre für sich. Stattdessen endet »Bohemian Rhapsody« laut, mitreißend und überwältigend mit Queens Auftritt bei »Live Aid« 1985, einer Performance für die Ewigkeit (zu finden in der Weiten Wilden Welt des Internets).

 

Ein schöner Kontrast zu all der Dramatik, mit der Band und Leadsänger zuvor zu kämpfen hatten: familiäre Probleme, die dunklen Seiten des Ruhms, das Versteckspiel vor den Medien bezüglich sexueller Präferenzen und schließlich die Gewissheit, aufgrund einer AIDS-Erkrankung womöglich bald sterben zu müssen. All das verpackt der Film in gewohnter Hollywood-Manier in einzelne Kapitel, immer wieder unterbrochen von Konzertmitschnitten und Aufnahme-Sessions in Studios, damit es für den Zuschauenden auch nicht zu schmerzhaft wird. Das mag hier und da oberflächlich wirken, angesichts des rauschhaften Lebensstils Mercurys allerdings durchaus angebracht und nachvollziehbar.

 

Und trotzdem: Freddies Arbeitspensum bis zu seinem Tod 1991, die vielen Hits, die bis dahin noch entstanden, der bewegende letzte Videodreh (»These Are the Days of Our Lives«) und auch das Tribute-Konzert im April 1992 mit George Michaels phänomenaler Version von »Somebody to Love« hätten gerne noch hinzugefügt werden können. »I Want It All«! Aber wer kriegt das schon ...

 

Csaba Lázár

 

Contra

Freddie Mercury war ein einfühlsamer, aber eitler Gockel, er war schwul und konnte verdammt gut singen, bis er an Aids starb. Ende. Viel mehr bleibt für den Zuschauer nicht übrig, wenn er die Band Queen und deren Sänger bis dato nicht oder nur wenig kannte. Ich selbst bin mittelgroßer Fan und muss immer noch ab und zu bei „Show must go on“ heulen, aufgenommen, als von Mercury Anfang der Neunziger Jahre schon nicht mehr viel übrig war. Das Biopic von Regisseur Bryan Singer und später auch Dexter Fletcher möchte den großen Wurf schaffen – von der ersten Begegnung der Band mit ihrem zukünftigen Sänger bis zum großen Triumph beim Live Aid 1985 vor über einer Milliarde Fernsehzuschauern. 

Die letzten Jahre spart der Film dann aber aus, vermittelt eher sogar den Eindruck, Freddie wäre kurz darauf gestorben. Tatsächlich gab er seine Erkrankung erst zwei Jahre später bekannt und tourte mit Queen weiterhin um die Welt. Überhaupt deutet der Film so vieles nur an, hakt es ab. Er springt von Jahr zu Jahr, von Hit zu Hit. Natürlich ist Farrokh Bulsaras Vater nicht begeistert, dass der Sohn Popstar sein will. Aber der nennt sich nun einfach Freddie und singt los. Später nennt er sich dann auch noch Mercury, okay. Die Familie ist nur Staffage, Mama guckt lieb, Papa grummelt. Weder das ausschweifende Leben und erst recht nicht die Homosexualität ihres Sohnes werden ernsthaft thematisiert, auch in der Band nicht. Dabei spielt sich die Geschichte nicht in den aufgeklärten End-2010ern ab, wo es quasi verpönt ist, nicht mindestens drei Homosexuelle oder gar Transpersonen als enge Freunde vorweisen zu können, will man nicht als rückständiger Faschist gelten. In den 70er und 80er Jahren war das ganz anders. Stattdessen sieht man Rami Malek mit absurdem Überbiss einem Trucker hinterher schielen und später eine Runde durch die Münchner Lederszene drehen. Alles sehr verschämt, bieder und abwaschbar.

Hätte man tatsächlich Sacha Baron Cohen zur Hauptfigur gemacht, wie es auch einmal angedacht war, wäre eine viel persönlichere Darstellung möglich und nötig gewesen. Stattdessen reiht sich ein Musiktitel an den nächsten. Wie er entsteht, wie die Band arbeitet, wie sie funktioniert, wie man sich außerhalb von Studio und Bühne begegnet, bleibt verborgen. Der Film erzählt keine echte Geschichte, selbst die Hauptfigur bleibt recht seelenlos, auch wenn Malek durchaus gekonnt den Freddie gibt, wenn auch zu dünn und mit einem seltsam leeren Blick in vielen Momenten. Optisch am besten getroffen ist allerdings Gwilym Lee als Gitarrenvirtuose Brian May. Dass der unter seinem Mob aus Haaren eigentlich mindestens genauso begabt und selbstverliebt wie Freddie Mercury ist, wird nur angedeutet. Denke ich an Filme über eine Band, dann an Oliver Stones »The Doors« aus dem Jahr 1991. Auch dort wird vieles verdichtet und passend gedreht, aber die Hauptfigur lebt, sie wird nicht nur abgebildet. 

»Bohemian Rhapsody« ist ein Film für Fans, die ihr Idol nun noch einmal sehen und die Hits erleben können. Manch anderer bekommt vielleicht Lust, sich neu – oder noch einmal – mit dem Gesamtwerk zu beschäftigen. Was bleibt, ist die Musik, und das Bewusstsein, dass ein großer Künstler viel zu früh gegangen ist. Ein großer Film ist es dagegen nicht.

http://www.fox.de/bohemian-rhapsody