1. August 2017

George A. Romero, ein persönlicher Nachruf

Ein unerhörtes und vollkommen unsozialistischen Filmgenre
George A. Romero, ein persönlicher Nachruf

Anfang der 80er Jahre war selbst in DDR-Printmedien von einem neuen unerhörten und vollkommen unsozialistischen Filmgenre die Rede. Dem Zombiefilm! In einem Artikel des „Filmspiegels“ wetterte man über die Auswüchse der faulenden kapitalistischen Filmindustrie an Hand von John Waters »Polyester« und natürlich George A. Romero »Dawn of the Dead«.

Um das Ganze auch eindringlich genug zu illustrieren, hatte man sich für das berühmte Film Still des „Machete Zombies“ entschieden, welches den Schauspieler Lenny Lies zeigt, der zuvor von Tom Savini als Rocker eine Machete in den Kopf appliziert bekommen hatte. Das schrie geradezu nach sehen müssen, aber wir hatten ja nüscht! Dafür ich aber Oscar, einen bulgarischen Filmregisseur, der in den 60ern gemeinsam mit Miloš Forman in Prag studiert hatte und Freund meines Vaters war.

Oscar wohnte in Sofia und besaß einen herrlichen Betamax-Videorekorder mit großem Buntfernseher. Ja und Oscar hatte neben anderen cineastischen Ungeheuerlichkeiten natürlich auch »Dawn of the Dead« in seiner Sammlung. Das war schon ein bemerkenswerter und vor allem verstörender Quantensprung. Während sich im sozialistischen Kino der Erschossene maximal den Bauch hielt und umfiel, flogen hier gleich ganze Köpfe und Gliedmaßen davon, von der Ausweidung noch lebender Personen mal ganz abgesehen. Nach rund 1½ Stunden verließ ich verstört Oscars Wohnung ins abendlich Sofia, hatte immer noch den unheilschwangeren Soundtrack der italienischen Progressive-Rock-Band „Goblin“ im Kopf und wähnte fast in jedem dunklen Hauseingang eine Horde Untoter, die mir an die DDR-Wäsche wöllten. Dass Romero in »Zombie«, wie der Film in bundesdeutschen Kinos hieß, neben der Unterhaltung auch eine Kritik an der Gesellschaft beabsichtigt hatte, war mir als Jemand, der nur die sozialistische kannte, natürlich nicht bewusst und genoss neben dem Schauder, die Fantasie ein amerikanisches Kaufhaus für mich und meine Freunde allein zur Verfügung zu haben.

Aber spätestens, als ich im November 89 die plastikbebeutelten Ossis paralysiert über den Kudamm habe wanken sehen, wusste ich, was Romero wohl gemeint hatte. Gerade war ein Volk aufgewacht, schon dämmerte es bereits und es begann die »Night of the Living Dead«. George A. Romero hätte wohl als alleiniger Begründer des modernen Zombiemythos ein stinkreicher Mann werden können, aber er zog sein Ding durch und nicht das, was Hollywood für ihn vorgesehen hatte. Eine Haltung, die man heute nur allzu sehr vermisst und einen die Last der Angepassten manchmal zu oft zu erdrücken scheint.

Auch wenn Romero nie ganz an den Erfolg von »Dawn of the Dead« anknüpfen konnte, fiel er bei den Fans nie in wirklich Ungnade, man erfindet den modernen Zombie schließlich nicht zweimal. Zu groß war seine popkulturelle Bedeutung, die der Regisseur bereits zu Lebzeiten erlangt hatte. Also lieber George, alles richtig gemacht, ruhe in Frieden oder mach was anderes Fetziges, wiederkommen musst Du nicht. Ich habe alle Deine Filme im Regal! 

Ray van Zeschau (zom be or not zom be)