23. Dezember 2013

Pro & Contra – Inside Llewyn Davis

Die Katze ist der wahre Star!
Pro & Contra – Inside Llewyn Davis
Allein die Ankündigung eines neuen Films scheint inzwischen zu genügen, um die Geschwister Joel & Ethan Coen mit Oscar-Versprechungen zu überhäufen. In der Redaktion des Kinokalender Dresden ist das weniger eindeutig.

Pro:
Llewyn Davis ist ein sympathischer, gefühlvoller Mensch mit einer sanften Stimme und einer angenehmen Präsenz. So zumindest führen ihn die Gebrüder Coen in ihrem neuen Werk »Inside Llewyn Davis« ein – singend, auf einer kleinen Bühne sitzend, mit seiner wohlklingenden Gitarre im Arm. Wenige Szenen später ist klar, dass diese Bühnenfigur nur wenig mit jenem Mann zu tun hat, dem wir in den kommenden 100 Minuten folgen sollen.

Keine leichte Aufgabe für die Zuschauer, ist der ‚reale‘ Llewyn Davis doch ein permanent fluchender, scheinbar antriebsloser und nicht unbedingt kommunikativer Charakter. Aber hey, trifft das nicht ebenso auf den Dude zu? Willkommen in der Welt von Joel & Ethan Coen, die es sich offenbar zur Lebensaufgabe gemacht haben, seltsamen Gestalten einen Film zu widmen. Oder vielmehr deren pausenlosem Scheitern in allen Lebenslagen. Oscar Isaac spielt diesen Typen mit einer wunderbaren Lässigkeit, die gleichzeitig nervt und doch neugierig macht. Wie zur Hölle hat es dieser Tropfen Wasser geschafft, zwei Frauen zu schwängern (und anschließend sitzen zu lassen), eine Platte aufzunehmen und sogar Gigs zu spielen?

Nur eines der vielen Mysterien, welches die Coens für sich behalten. Überhaupt wimmelt es in ihrem Film mal wieder von unzähligen Figuren, die jede für sich eigentlich schon einen 90-Minüter wert wären. John Goodmans Jazzer Roland Turner hört sich an wie die 2013er-Version des Millionärs Jeffrey Lebowski, Carey Mulligans Charakter Jean hingegen drischt in fast allen ihren Szenen verbal auf Llewyn ein, der dies stoisch zur Kenntnis nimmt und selten widerspricht. Ganz so, als hätten beide noch Reste ihrer Leinwandehe aus »Drive« aufzuarbeiten. Irgendwo dazwischen setzt Garrett Hedlund seinen »On the Road – Unterwegs« -Auftritt fort und Justin Timberlake beweist, dass er auch nur mit Klampfe bewaffnet ein toller Musiker ist. Es ist schon eine besondere Kunst der Coens, ihren Nebenfiguren derart viel Tiefe zu geben, selbst wenn sie nur wenige Momente zu sehen sind.

Der Rahmen, den die beiden Regisseure ihrem Ausflug in die amerikanische Folkszene der 1960er Jahre überstülpen, erinnert passender Weise an eine Schallplatte mit verschiedenen Songs: Jeder einzelne steht für einen neuen (Tief-)Punkt in Llewyns Leben, das ihn am Ende wieder dort ausspuckt, wo seine Odyssee begann. Ob er dabei etwas gelernt hat? Vielleicht. Zumindest lässt er den Kater beim zweiten Mal nicht entwischen, und bei seinem aufrichtigen „Ich liebe dich!“ an Jean huscht ihr erstmalig ein Lächeln über die Lippen statt eine neue Beleidigung an ihren Ex. Möglicherweise eine erste Erkenntnis, dass er sein soziales Verhalten ändern muss, wenn er nicht wie der selbstgefällige Jazzmusiker enden will, der zuvor seinen Weg kreuzte.

Alles nur Gedankenspiele, denn um ehrlich zu sein, kann ich mir (noch) keinen rechten Reim auf diesen Trip machen. Lleweyn Davis’ Gesichtsausdruck kurz vor dem Abspann nach zu urteilen er aber eben so wenig. Insofern wähne ich mich in guter Gesellschaft. Wohl auch, weil ich diese Verwirrtheit nach dem Aufstehen ab und an selbst erlebe. Muss wohl das Leben sein.
Csaba Lázár

Contra

Llewyn Davis ist ein Verlierer. Er hat keine Wohnung, keinen Job, keinen Erfolg bei irgendwas. Er kann so semi-gut singen und Gitarre spielen und spuckt deshalb ein zwei gute Songs raus. Er kann nicht einmal ordentliche Emotionen zeigen. Wozu nun einen Film machen, in dem es um sein „Innerstes“ geht?

Gute Frage, Mr. und Mr. Coen. Das habe ich mich nach der Hälfte des Films gefragt. Und überhaupt die Tatsache, dass ich während des Films, obwohl Original-Ton, auf die Uhr geschaut habe, lässt tief blicken. Mitreißend geht anders.
Die Coens sagten selbst, dass es gewissermaßen gar keinen Plot gibt. Deswegen gibt es auch keinen zu erzählen. Und als sie gemerkt hatten, dass alles ein wenig "pointless" ist, und das Ganze auch gut und gerne ein Musikvideo hätte werden können, bauten sie die Katze ein.

Und die Katze, meine Damen und Herren, die Katze ist der wahre Star. Die Katze hat mehr Mimik als der Hauptdarsteller, die Katze hat ein weitaus interessanteres Schicksal als die Hauptfigur. Ja, okay, Llewyn hat auch ein Schicksal. Er hat schon wieder eine Frau geschwängert, von der man absolut nichts mehr weiß und auch nicht gesagt wird, was dann eigentlich mit der Schwangerschaft passiert. Und so wie Llewyn reagiert, ist dem Zuschauer das am Ende auch nicht wirklich wichtig.
Llewyn ist kein Sympathieträger. Und während des Films möchte man ihn auch mehrmals schütteln und hoffen, dass er mal sein Leben auf die Reihe kriegt. Da das Schütteln aber nicht geht, bleibt nur ein enttäuschtes Seufzen. Dann kommt die Katze namens Ulysses wieder ins Bild und man ist besänftigt.

Nicht alles ist schlecht an diesem Film. Die musikalischen Einlagen erinnern an »Walk the Line«, die Sänger sind durchweg gut, die Lieder vielleicht ein wenig zu lang. Auch die Schauspieler sind gut. Carey Mulligan wirkt richtig erwachsen, wenn sie böse guckt und fiese Worte durch die Gegend spuckt. Justin Timberlake, nur kurz zu sehen, wirkt ein bisschen high und niedlich, aber John Goodman reißt dann alles raus. Mein heimlicher Favorit ist trotzdem die Katze.

Wenn man am Ende des Films wieder am Anfang des Films ist und die kurze Verwirrtheit umgangen hat, dann läuft auch schon der Abspann und man fragt sich: Hä? Plot? Aber wie schon erwähnt, ist da keiner, soll da auch keiner sein. Die Coen Brüder blicken »Inside Llewyn Davis« - quasi eine kleine Reise lang in den Alltag eines Musiker-Verlierers ohne wahre Freunde. Nicht mehr, nicht weniger.
Anne