Jung & schön

Drama, Frankreich 2013, 93 min

Erwachsenwerden und Erfahrungen machen - das hat viel mit Sex zu tun. Francois Ozon (»In ihrem Haus«, »Unter dem Sand«, »8 Frauen«) erzählt in seinem neuesten Film von einer Jugendlichen, die ihre Familie damit schockiert, mit Prostitution viel Geld zu verdienen. Ohne einen Anflug von Moral oder Prüderie fasziniert »Jung und schön«, und vielleicht verstört der Film auch ein bisschen.
Isabelle (fantastisch: Marine Vacth) erlebt „das erste Mal“ am Strand, mit einem Deutschen, im Urlaub und nicht weit vom Feriendomizil ihrer reichen Pariser Familie entfernt. Emotionen sind ihr nicht anzumerken und ihren kleinen Bruder lässt sie danach nur wissen, dass „es“ erledigt sei. Ihre Eltern haben nichts mitbekommen und auch in den folgenden Monaten bemerken sie nichts: Isabelle hat sich auf einem professionellen Dating-Portal ein Profil angelegt und trifft Männer im Hotel - anfangs unsicher, schon sehr bald immer selbstbewusster. Sie nimmt 300 Euro für die normale Dienstleistung und macht die unterschiedlichsten Erfahrungen. Als ihre Mutter dahinter kommt, gerät alles aus den Fugen. Eltern fällt es in der Regel schon schwer, das „normale“ sexuelle Erwachen ihrer Kinder zu erleben - aber professionell? Mit vielen verschiedenen Männern? Ohne Geldnot, nur aus…? Ja, warum macht sie das eigentlich? Ihre verzweifelte und angeekelte Mutter verbietet ihr Computer, Handys und das Ausgehen generell und schleppt sie zu einem Psychologen. Die souveräne Isabelle ist keineswegs reuig oder gar beschämt und wundert sich nur über den geringen Stundensatz ihres Gegenübers.
Die Doppelmoral der erwachsenen Empörung wird am deutlichsten bei ihrer Mutter. In versöhnlichen Momenten fallen Sätze wie „Als Jugendliche hab ich auch Dummheiten gemacht…“ Auf Isabelles Entdeckung ihrer heimlichen Affäre mit einem Freund der Eltern reagiert sie jedoch brüsk. Isabelle scheint ihre Stellung zu genießen - sie wird gleichzeitig als schmutzig, gefährlich und sehr erfahren wahrgenommen. Ihr kleiner Bruder ist fasziniert, weil er mit Isabelle offen reden kann und von ihr wertvolle Tipps bekommt: Eine Mitschülerin küsst mit Zunge gegen Geld? „Das ist gut zum Üben.“ Vielleicht ist das auch ein Teil der Motivation von Isabelle - außerdem Neugier, und dass sie alles als „Spiel“ versteht. Nur die Erwachsenen, die verstehen die Regeln nicht, und bekommen Angst vor einer 17-Jährigen, die so viel mehr über Sex weiß als sie selbst. Manchmal ist Isabelle allerdings auch selbst erschrocken. Und als Zuschauer darf man ruhig noch eine Weile darüber nachdenken, wie man das nun finden soll.
Petra Wille