Unbelehrbar

Dokumentation, Deutschland/Israel 2011, 96 min

Ellen beschließt im Alter von 40 Jahren, endlich Lesen und Schreiben zu lernen. Da in der Volkshochschule ihres Heimatortes kein Kurs dazu angeboten wird, zieht sie gegen den Willen ihrer Familie ins nahe Berlin. Dort ist sie das erste Mal völlig auf sich alleine gestellt und wird konfrontiert mit der plötzlichen Erfahrung, unabhängig zu sein. Doch Ellen steckt voller Optimismus und hat den Mut zur Konsequenz.
„Ich stelle Ihnen hier meinen ersten Langspielfilm vor - UNBELEHRBAR - er ist mein langer Abschlussfilm an der Tel Aviv University - thematisch hat er nichts mit Israel zu tun hat, sondern mit Deutschland, meiner Heimat. Fremd zu sein im eigenen Land - darum geht es. Oder auch fremd zu sein in der Gesellschaft, ausgegrenzt zu sein, weil man etwas nicht kann, was anscheinend alle können. Manchmal habe ich das Gefühl, es entwickelt sich alles so rasant schnell weiter und wird so unübersichtlich, dass man nicht mehr mit kommt. Ich persönlich hatte mich auch schon ein paar Mal so gefühlt, ich beherrschte z.B. ein Computerprogramm nicht oder musste mich irgendwo online einloggen und es klappte nicht, alle sagten, das ist doch kinderleicht, das können alle - nur ich nicht. In einem Zeitungsartikel stieß ich auf das Thema Analphabetismus - und es interessierte mich sehr.
In Deutschland leben 4 Millionen Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können, das sind fast 5% der Bevölkerung. In Berlin begann ich zu recherchieren und stieß auf eine Frau, die ganz normal die Schule durchlaufen hatte und als Analphabetin wieder herauskam. Keiner traute ihr etwas zu, sie war abgestempelt und völlig abhängig von ihrem Mann und ihren Kindern, hatte aber den Absprung geschafft, dies zu erkennen, wegzugehen und sich ihr eigenes Leben aufzubauen. Die Geschichten, die sie mir aus ihrem Alltag erzählte, ihre unzähligen Überforderungen, die Art und Weise, wie sie die Welt verändert wahrnahm, die Bedeutung von kleinen Details, diese ständige Bedrohung sich zu entlarven, ihr strahlender Charakter, den sie entwickelt hatte, weil sie andauernd auf die Hilfe anderer angewiesen war, ihre Fähigkeit naiv über Dinge zu staunen - diese schillernde Person inspirierte mich, einen Film zu machen, der nicht aufklären soll, uns aber auf sinnliche Weise dem eigenwilligen Charakter einer Frau näher bringt, die sich auf den Weg macht, ihren eigenen Platz in der Welt zu finden.
Letztendlich ist es eine Befreiungsgeschichte einer Frau geworden, die nicht so schnell aufgibt. Den Film habe ich mit einem jungen deutsch-israelischen Team realisiert - es stießen zwei verschiedene Temperamente und Denkweisen aufeinander, die eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit ergaben.“
Anke Hentschel Regisseurin/Produzentin