Blick in den Abgrund

Dokumentation, Österreich/Deutschland 2013, 88 min

Der Jahresbeginn hat es in sich. Gleich zwei Filme beschäftigen sich mit unbegreiflichen Taten von Menschen. Im Fall von »Das radikal Böse« waren die Massenerschießungen im zweiten Weltkrieg eine Pflichtaufgabe für die Männer, verurteilt wurden später nur wenige. »Blick in den Abgrund« von Barbara Eder beschäftigt sich mit Serienmördern, vielmehr den Menschen, die ihnen auf der Spur sind: mit Profilern. Zwei Frauen aus den USA und Finnland sowie vier Männer aus Deutschland, Südafrika und den USA lassen sich im Büro, bei Gefängnisterminen und im Privaten begleiten. Helinä Häkkänen-Nyholm stellt fest: „Der Job kann dir Lebensfreude nehmen“. Helen Morrison berichtet, dass sie nach Treffen mit Mördern immer eine gewisse Zeit für sich braucht, um ihre Angst und Paranoia loszuwerden. Erst danach geht sie nach Hause zu Mann und Kindern.
Warum macht jemand einen solchen Film? Barbara Eder ist an der fehlenden Logik des Handelns von Serienmördern interessiert. Sie möchte der Dinge habhaft werden, „derer man nicht habhaft werden kann“. Neben dem Ermitteln arbeiten alle Profiler auch wissenschaftlich - sie suchen nach den Mustern, die eine Erklärung geben können, warum Menschen zu Serienvergewaltigern oder -mördern werden. Helen Morrison hat nun seit 40 Jahren mit ihnen zu tun und stellt fest: Bildung, sozialer Status, kindliche Traumata, Misshandlungen - das alles spielt keine Rolle. Sie vermutet ein Gen für eine solche Disposition, aber bisher erlaubte ihr niemand, an Gehirnen mit lebenden Tätern zu experimentieren.
Wieso sollte man sich das anschauen? Natürlich ist »Blick in den Abgrund« kein Film, der einen gut unterhalten aus dem Kino entlässt. Man muss einiges aushalten. Schilderungen von Tötungsdelikten, von Häutungen, von zerstückelten Leichen kommen vor, Skizzen von Tatorten und Rekonstruktionen der Taten. Und - ja, es kommen auch ein paar konkrete Bilder vor, die schwer zu ertragen sind. Sie ereilen das Publikum allerdings erst in der zweiten Filmhälfte, womöglich mit Absicht, da wir die Protagonisten bereits kennen und gehört haben, wie sie selbst mit dem Grauen umgehen. Im Film ist auch zu sehen, wie eine Zuhörerin einen Vortrag des südafrikanischen Profilers Gérard Labuschagne verlässt, weil sie die Details nicht erträgt. Wie tief die Ermittler in die Gedankenwelt eines Mörders eintauchen müssen, zeigt ein Interview Stephan Harborts mit einem Vergewaltiger im Gefängnis. „Ist ja nur ein Film“ funktioniert hier nicht. Wer darauf vorbereitet ist, bekommt einige beunruhigende Einblicke in das echte Leben. Das sich jedoch zum Glück nur wenigen Menschen in dieser Grausamkeit zeigt.
Petra Wille

Buch: Barbara Eder

Regie: Barbara Eder

Kamera: Hajo Schomerus

Produktion: Viktoria Salcher, Mathias Forberg, Nicole Ringhut

Bundesstart: 23.01.2014

Start in Dresden:

FSK: ab 16 Jahren