Paradies: Hoffnung
Vielleicht ist es ja schon durchgesickert: Im dritten Teil der Trilogie von Österreichs Ausnahme-Regisseur Ulrich Seidl geht es um Melanie. Sie ist die Tochter der in Kenia weilenden Teresa, die zu Beginn des »Liebe«-Teils bei ihrer Tante Anna Maria zurückgelassen wird. Anna Maria ist die strenge Katholikin, die ihren Jahresurlaub nutzt, um mit einer Marienfigur im Arm durch die Migrantenviertel Wiens zu ziehen (»Paradies: Glaube«).
Im ersten Teil haben wir Melanie als bockigen Teenager kennen gelernt, übergewichtig aufs Handy starrend und wenig umgänglich. Ihre Tante bringt sie zu einem Diätcamp, wo Melli mit vielen anderen dicken Jungen und Mädchen getriezt wird. Das beginnt gleich in der ersten Sportstunde, wo der Trainer verkündet: „Wer nicht diszipliniert ist, kriegt ein Problem mit mir“. Melanie macht mehr oder weniger motiviert mit, freundet sich mit ihren drei Zimmergenossinnen an und findet Gefallen am Campleiter, einem Arzt jenseits der 50. Während sie sich mit der etwas älteren und erfahreneren Verena über die Liebe, Sex und Familie austauscht, versucht sie sich an den Doktor anzunähern. Zunächst mit angeblich gesundheitlichen Problemen, später offensiver. Und der Doktor ist nicht abgeneigt. Dennoch geschieht nicht, was Melli sich so wünscht: Eine echte Annäherung, ein Kuss, die große Liebe.
In »Paradies: Hoffnung« geht es - wie in den anderen Teilen der Trilogie - um die Sehnsucht, die eigenen Wünsche zu erfüllen. Und letztlich geht es um das Scheitern derselben. Wenn Melli unschuldig hofft, dass nicht alle Jungs einen schlechten Charakter haben (wie Verena es zu wissen glaubt), dann ist sie ganz die naive 13-Jährige, die romantische Vorstellungen von Liebe und Sex hat - und niemals nie mit Zunge küssen würde! Um sich dem Objekt der Begierde zu nähern, geht sie mutige, aber auch unerfahrene Schritte und hofft auf ein Happy End. Dass dies nicht wie gewünscht eintritt, muss an ihrem Körper liegen, schlussfolgert sie.
Wie schon im »Glaube«-Teil ist das Zuschauen bei Seidls Film auch ganz ohne Konflikt ungemein fesselnd. Dickliche Jugendliche defilieren vor der Kamera von Wolfgang Thaler und Ed Lachmann, sie marschieren beim morgendlichen Walking ins Bild und wieder hinaus. Seidls große Kunst besteht im Inszenieren der Laiendarsteller in langen Szenen, was besonders bei den enorm ungekünstelten Jugendlichen ausgesprochen gut gelingt. Improvisierte Dialoge, echte Gesten und normale, dicke Körper - eine faszinierende Mischung, die schmerzhaft echt ist und gleichzeitig eine gute Geschichte ergibt.
Petra Wille
Buch: Ulrich Seidl, Veronika Franz
Regie: Ulrich Seidl
Darsteller: Melanie Lenz, Verena Lehbauer, Joseph Lorenz, Viviane Bartsch
Kamera: Edward Lachman, Wolfgang Thaler
Produktion: Ulrich Seidl Film Produktion, Société Parisienne
Bundesstart: 16.05.2013
Start in Dresden: 16.05.2013
FSK: ab 12 Jahren