Abendland

Dokumentation, Österreich 2010, 94 min

Europa - ein Kontinent bei Nacht, eine verdämmernde und gleichzeitig hochangespannte Kultur, ein „Abendland“, das sich als Gipfelpunkt der menschlichen Zivilisation sieht und gleichzeitig als Dienstleistungsgesellschaft sehr pragmatisch vor sich hin wuchert: pulsierende Dienstleistungs- und Wohlstandsgesellschaft, Bollwerk der Sicherheit und Ausgrenzung, urbane Zivilisation, hedonistischer Vergnügungstempel, beflügelt und belastet zugleich von Geschichte, Tradition, Hochkultur.
Nikolaus Geyrhalter sieht sich um: Nachtarbeit gegen selbstvergessene abendliche Ablenkung, Geburt und Tod, Feiern und Tanzen, Hoffen und Bangen, Fragen, die im Halbdunkel einer Antwort harren, Sprachengewirr, Nachrichtenroutine und politische Verhandlungen - dies alles in Bilder gefasst, deren Detail-Reichtum vielfältig und doch präzise ist. Manche Dinge sieht man in der Nacht klarer.
»Ein Fleck auf der Erde, reich an Ressourcen, klimatisch begünstigt und besiedelt von Menschen, die diese Geschenke geschickt zu ihrem Vorteil zu nutzen wissen. Die Überzeugung, dass sich unter diesen Umständen eine überlegene Kulturform entwickeln muss, hat die Bewohner dieser Gegend lange beflügelt und hallt bis in die Gegenwart, und tatsächlich scheint das Leben auf diesem Stück Erde begehrenswert: Man lebt in Reichtum und Sicherheit, ist medizinisch gut versorgt und im Fall der Fälle auch sonst sozial abgesichert. Hier wird man nicht verhungern, nicht schon mit 40 Jahren sterben und muss gegenwärtig weder Krieg noch politische Verfolgung befürchten.
Dieses privilegierte Leben funktioniert nur auf dem Prinzip der Exklusivität, des Nicht-Teilens und Nicht-Teilhaben-Lassens, einfach schon deswegen, weil das ressourcenmäßig rein rechnerisch nicht aufgehen kann. Am Ende des Paradieses steht deshalb ein unüberwindbarer elektrischer Zaun.
Wer im Paradies lebt, muss gut darauf aufpassen. Ein Film über Europa am Anfang des 21. Jahrhunderts.«
Nikolaus Geyrhalter