Michel Petrucciani - Leben gegen die Zeit

Dokumentation, Frankreich/Deutschland/Italien 2011, 99 min

Er habe mit 13 geklungen wie ein 38-jähriger lebensmüder Schwarzer, der in einer mexikanischen Bar abhing, sagt ein ehemaliger Weggefährte. Ein Wunderkind mit wahnsinnig schnellen Fingern, das als 17-Jähriger alleine in die USA geht und dort als Pianist mit den Jazzgrößen Dizzy Gillespie, Charlie Haden, Wayne Shorter und vielen anderen spielt. Außerdem ein Frauenheld, Energiebündel und ein Neugieriger, der Rauschzuständen durch Drogen und Alkohol alles andere als abgeneigt war. So kann man Michel Petrucciani sehr zutreffend beschreiben, genauso aber auch: Der 1999 verstorbene Pianist war nur knapp über einen Meter groß, hatte permanent Schmerzen und brach sich ständig irgendwelche Knochen, auch während seiner Konzerte. Petrucciani litt unter der Glasknochenkrankheit, bei der die Knochen leicht brechen und sich verformen.
Wie das alles - die Krankheit, das dadurch verursachte Leiden, das musikalische Genie und die Lebensfreude - zusammen gehört, das zeigt dieses sehr liebevolle filmische Porträt. Petrucciani sagt selbst über sich „Gerne würde ich Ihnen sagen: Ja, ich habe ein sehr schweres Leben…, aber nein, alles läuft prima!“. Es war ein Leben im Schnelldurchlauf, das war ihm wohl immer bewusst, alles musste immer schnell gehen, er war ungeduldig und so voller Lust auf Neues. Sein Leben ist gut dokumentiert, es existieren viele Filmaufnahmen (unter anderem von und mit Roger Willemsen, mit dem Petrucciani befreundet war) sowie Alben und live-Mitschnitte. Dadurch ist der Film sehr dicht, er lässt ein Stückchen teilhaben an einem aufregenden Leben und verschweigt auch nicht einige weniger positive Eigenschaften. Die Energie der Person Petrucciani überträgt sich mühelos: Man sieht ihn mit Sonnenbrille, verschmitztem Lachen und immer in Bewegung. Dazu hört man sein kraftvolles, mitreißendes Spiel (trotz seines kleinen Körpers hatte er große, kräftige Hände) und folgt den Geschichten, die manchmal auch Legenden sind, denn Petrucciani war ein großer Märchenerzähler, wenn seine Erlebnisse dann aufregender klangen. Als Zuschauer kann man sich in solchen Fällen die schönste Variante raussuchen.